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Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi

Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi

Titel: Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dryas Verlag
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hatte die schweren Bettvorhänge zugezogen und die Lampe am Krankenbett verdunkelt.
    Als Robert zu den Damen zurückging, tranken Alicia und ihre Stiefmutter Tee im Boudoir von Lady Audley. Die Dame des Hauses blickte von ihrer Beschäftigung mit den zerbrechlichen Porzellantassen auf und ­beobachtete Robert, als er in den Raum trat. Sie sah reizend und unschuldig aus, wie sie dort so hinter der eleganten Anordnung des zarten opalfarbenen Porzellans und des schimmernden Silbers saß. Es gibt kaum etwas Schöneres als eine Frau, die Tee zubereitet. Diese weiblichste und häuslichste aller Tätig­keiten verleiht jeder ihrer Bewegungen eine wunderbare Harmonie und jedem ihrer Blicke einen gewissen Zauber.
    Mylady war jedoch keineswegs von so erhabenem Geiste. Die strahlenden Diamanten an ihren weißen ­Fingern blitzten zwischen den Utensilien der Teezeremonie. Mit großer Ernsthaftigkeit, so als gäbe es im Leben kein wichtigeres Unterfangen als das Aufbrühen von Tee, beugte sie ihren Kopf über die prachtvolle indische ­Teebüchse aus Sandelholz und Silber.
    Die Teekanne in der Hand haltend, zögerte sie und sah zu Robert auf, der in der Nähe der Tür stand. „Sie nehmen eine Tasse Tee mit uns, Mr Audley?“, fragte sie.
    „Wenn ich bitten darf.“ Er nahm an dem kleinen Tisch Platz und blickte zu seiner Cousine Alicia hinüber, die mit einem Buch im Schoß den Anschein erweckte, als sei sie völlig in ihre Lektüre vertieft.
    „Alicia, meine Liebe“, begann der Advokat, nachdem er seine Cousine mit Muße betrachtet hatte, „du siehst gar nicht wohl aus.“
    Miss Audley zuckte mit den Achseln, geruhte aber nicht, die Augen von ihrem Buch zu erheben. „Möglich“, ­antwortete sie wegwerfend. „Was macht das schon? Ich werde allmählich zu einem Philosophen deiner Schule, Robert Audley. Wen kümmert es, ob ich gesund oder krank bin?“
    Was für ein Hitzkopf sie doch ist, sann der Anwalt. Immer wenn seine Cousine ihn mit „Robert Audley“ ansprach, wusste er, dass sie ungehalten über ihn war. Nur hatte nie er eine Ahnung, warum dem so war.
    „Du musst nicht gleich über einen Menschen herfallen, nur weil er dir eine höfliche Frage stellt, Alicia“, sagte er vorwurfsvoll. „Und dass sich niemand um deine Gesundheit sorgt, das ist Unsinn. Ich mache mir Sorgen.“ Miss Audley schaute mit einem strahlenden Lächeln auf. „Und Sir Harry Towers sorgt sich sicherlich auch“, fügte er hinzu.
    Abrupt wandte sich Miss Audley wieder ihrem Buch zu.
    „Was liest du da, Alicia?“, erkundigte sich Robert nach einiger Zeit, während er in seinem Tee gerührt hatte und überlegte, was er nun schon wieder Falsches gesagt haben könnte.
    „Changes and Chances.“
    „Ein Roman?“
    „Ja.“
    „Von wem ist er?“
    „Von dem Autor von ‚Follies and Faults‘“, erwiderte ­Alicia trotzig, wobei sie mit der Lektüre des Buches in ihrem Schoß fortfuhr.
    „Ist er interessant?“
    „Nicht besonders“, antwortete sie.
    „Dann bin ich allerdings der Meinung, du könntest bessere Manieren an den Tag legen als weiterzulesen, während dein Cousin ersten Grades dir gegenübersitzt“, bemerkte Mr Audley mit einer gewissen Strenge. „Vor allem, wenn er dir nur einen kurzen Besuch abstattet und morgen früh schon wieder aufbricht.“
    „Morgen früh!“, rief Mylady, die bisher geschwiegen hatte.
    Robert bemerkte ein kurzes Aufleuchten in ihren Augen. „Ja“, erklärte er, „ich werde morgen ­geschäftlich nach ­London fahren müssen. Doch ich beabsichtige, am darauffolgenden Tag zurückzukommen, wenn Sie ­gestatten, Lady Audley. Und ich werde dann bleiben, bis mein Onkel wieder gesund ist.“
    „Aber Sie machen sich nicht wirklich ernsthafte Sorgen um ihn, nicht wahr?“, fragte Mylady ängstlich.
    „Nein“, entgegnete Robert, „Ich denke, es besteht nicht der geringste Anlass zur Besorgnis.“
    Mylady schien nachzudenken. „Aber Sie haben sich vorhin so lange mit Mr Dawson zurückgezogen“, meinte sie kurz darauf. „Ich war einigermaßen beunruhigt, weil Ihre Unterredung so lange gedauert hat. Haben Sie ­während der ganzen Zeit über Sir Michael gesprochen?“
    „Nein, nicht die ganze Zeit.“
    Erneut blickte Mylady auf die Teetassen. „Nun, was konnten Sie Mr Dawson schon erzählen, oder was hatte er Ihnen zu sagen?“, fragte sie nach einer weiteren Pause. „Sie kennen einander doch kaum.“
    „Angenommen, Mr Dawson wollte mich wegen einer rechtlichen Angelegenheit konsultieren.“
    „War

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