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Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi

Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi

Titel: Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dryas Verlag
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George ihr während ­seiner Flitterwochen geschrieben hatte. Seine Beschreibung ähnelte der von Mrs Martyn beschriebenen Person sehr. Doch sicherlich war es nur ein Zufall.

11. Kapitel

    R obert Audley schlenderte über die Rasenfläche vor dem Court, als die Kutsche mit Mylady und Alicia durch den Torbogen fuhr. Sie hielt vor dem Turm, als Mr Audley sich einfand, um den Damen aus dem Gefährt zu helfen. Mit einer zarten blauen Haube und in jene Zobelfelle gehüllt, die er für sie in St. Petersburg erstanden hatte, sah Mylady wie immer reizend aus. Sie schien höchst erfreut, Robert zu sehen und lächelte ganz bezaubernd, als sie ihm ihre elegant behandschuhte Hand reichte.
    „Sie sind also zu uns zurückgekehrt, Sie Treuloser“, sagte sie lachend. „Leider werden wir Sie, da Sie zurück sind, zu unserem Gefangenen machen müssen, damit Sie nicht davonlaufen, nicht wahr, Alicia?“
    Verächtlich warf Miss Audley den Kopf zurück. „Ich habe mit den Unternehmungen eines so unsteten Individuums nichts zu tun“, erklärte sie.
    Mr Audley betrachtete seine Cousine mit einem Ausdruck leichter Verwirrung.
    „Und wo, bitte, sind Sie während der vergangenen ein oder zwei Tage herumgezogen?“, fragte Mylady, als sie aus der Kutsche stieg.
    „Ich war ... in Yorkshire“, antwortete er, „in dem ­kleinen Badeort, in dem mein Freund George Talboys zur Zeit ­seiner Ehe gelebt hat.“
    Die plötzliche Blässe in Myladys Gesicht war das ­einzige Zeichen dafür, dass sie seine Worte vernommen hatte. „Ich muss mich fürs Dinner umkleiden“, bemerkte sie und lächelte ihn an.
    „Einen Moment, Mylady. Ich muss Sie bitten, mir eine halbe Stunde Zeit zu schenken“, erwiderte Robert mit ­leiser Stimme und stellte sich Lady Audley in den Weg. „Ich bin nach Essex gekommen, um mit Ihnen zu sprechen.“
    „Worüber?“, fragte Mylady.
    „Das werde ich Ihnen sagen, sobald wir allein sind“, ­entgegnete Robert und blickte zu seiner Cousine, die hinter Mylady stand und dieses kurze vertrauliche Zwiegespräch beobachtete. Plötzlich warf sie sich herum, kehrte Robert und Mylady den Rücken und lief über die Rasenfläche, hin zu den Stallungen. „Verliebt! Er ist in diese absurde ­Kreatur verliebt!“, murmelte sie wütend vor sich hin.
    Robert wandte sich Lady Audley zu. „Würden Sie bitte in die Lindenallee kommen“, bat er. „Ich möchte mit Ihnen sprechen.“
    „Wie Sie wollen“, antwortete Mylady und schien dabei gänzlich gleichmütig.
    Doch Robert sah, dass sie zitterte und nach allen ­Seiten Umschau hielt, so als suche sie einen Fluchtweg, auf dem sie entkommen könne. „Sie schaudern, Lady Audley“, bemerkte er.
    „Ja, mir ist sehr kalt. Ich würde, mit Verlaub, lieber an einem anderen Tag mit Ihnen reden. Morgen, wenn Sie wollen. Ich muss mich für das Dinner umkleiden und möchte Sir Michael noch treffen. Ich habe ihn seit zehn Uhr heute Morgen nicht mehr gesehen. Reden wir ­morgen, bitte.“ In ihrer Stimme schwang ein gequälter Ton mit.
    „Ich muss mit Ihnen sprechen, Lady Audley“, sagte er. „Wenn ich Ihnen grausam erscheine, dann sind Sie es, die mich dazu zwingt. Sie hätten dieser Tortur entgehen ­können. Ich habe Sie rechtzeitig gewarnt. Doch Sie haben es vorgezogen, sich meinem Rat zu widersetzen. Und so ist allein Ihre eigene Torheit dafür verantwortlich, wenn ich Sie nicht länger verschone.“ In seiner Stimme lag kalte Entschlossenheit, die Myladys Einwände verstummen ließen.
    Widerspruchslos folgte sie ihm zur kleinen Eisenpforte, die sich in den weitläufigen Garten auf der Rückseite des Hauses öffnete. Die frühe Winterdämmerung war hereingebrochen. Das verzweigte Flechtwerk der entlaubten Äste, das den einsamen Weg überwölbte, hob sich schwarz gegen das kalte Grau des Abendhimmels ab. Bei diesem ungewissen Licht erinnerte die Lindenallee an einen ­Klostergang.
    „Warum bringen Sie mich zu diesem grässlichen Ort? Wollen Sie mich erschrecken?“, klagte Mylady jämmerlich. „Sie sollten wissen, wie nervös ich bin.“
    „Sie sind nervös, Mylady?“
    „Ja, schrecklich nervös. Ich bin für den armen Mr ­Dawson ein Vermögen wert. Er schickt mir ständig ­Kampfer, Hirschhornsalz, roten Lavendel und alle ­möglichen Arten von abscheulichen Mixturen, doch er kann mich nicht heilen.“
    „Erinnern Sie sich, was Macbeth seinem Arzt sagte?“, fragte Robert. „Mr Dawson mag ja sehr viel klüger sein als der schottische Heilkundige, doch ich bezweifele, dass

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