Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi
meinen armen Freund angezettelt wurde, um die neue – sehr viel lukrativere – Identität der Frau zu schützen.“
„Eine Verschwörung!“ Lady Audley lachte laut auf. „Sie werden ja immer abstruser!“
„Ja, die Verschwörung einer dreisten Frau, Mylady, die glaubte, ihre Komödie ohne Angst vor Entdeckung zu Ende spielen zu können. Einer boshaften Frau, die sich nicht darum scherte, welchen Schmerz sie damit dem ehrlichen Herzen des Mannes zufügte, dem sie die Treue brach. Doch auch einer törichten Frau, die das Leben wie ein Glücksspiel betrachtete und dabei vergaß, dass es auch für erbärmliche Spekulanten eine Vorsehung gibt.“
„Aber wie wollen Sie wissen, dass die Anzeige falsch war?“, fragte Mylady. „Seine Frau liegt in Ventnor begraben, sagten Sie uns.“
„Nun, Lady Audley“, entgegnete Robert, „das ist eine Frage, die mir in kurzer Zeit jemand beantworten wird, denn ich weiß, wo ich zu suchen habe! In Southampton gibt es eine Frau, Mrs Plowson, die in die Geheimnisse verwickelt ist. Ich habe das Gefühl, dass sie mir helfen wird, die Geschichte der Frau aufzudecken, die auf dem Friedhof von Ventnor begraben liegt. Und ich werde keine Mühe scheuen, diese Geschichte herauszufinden, es sei denn ...“
„Was?“, fragte Mylady begierig.
„Es sei denn, die Frau, die ich vor Erniedrigung und Strafe bewahren will, nimmt die angebotene Barmherzigkeit an und lässt sich warnen, solange noch Zeit ist.“
Mylady zuckte mit ihren anmutigen Schultern, ein herausforderndes Funkeln blitzte in ihren Augen auf. „Sie wäre eine sehr dumme Frau, wenn sie sich durch solch absurde Ideen beeinflussen ließe“, bemerkte sie. „Sie sind hypochondrisch, Mr Audley. Sie sollten Kampfer, roten Lavendel oder Hirschhornsalz nehmen, nicht ich! Was kann lächerlicher sein als diese Idee, die Sie sich in den Kopf gesetzt haben? Sie verlieren Ihren Freund aus den Augen und schon sehen Sie überall den Tod lauern. Sie sind mit einfachen Erklärungen für das Verschwinden Ihres Freundes nicht zufrieden und so stellen Sie eine absurde Verschwörungstheorie auf, die nur in Ihrem überhitzten Gehirn besteht. Gleiches gilt für den Tod der Frau. Die Times meldet es. Das sollte genügen“, rief Mylady, wobei ihre Stimme zu jener schrillen und durchdringenden Tonhöhe anschwoll, die ihr bei heftiger Erregung eigen war. „Mit welchem Recht, Mr Audley, kommen Sie zu mir und quälen mich wegen eines mir unbekannten Mannes?“
„Mit dem Recht eines Indizienbeweises, Lady Audley“, sagte Robert, „der manchmal jener Person unter allen anderen die Schuld am Mord eines Menschen zur Last legt, deren Schuld am unwahrscheinlichsten erscheint.“
„Was für ein Indizienbeweis?“
„Der Beweis von Zeit und Ort. Der Beweis der Handschrift.“
„Einer Handschrift?“
„Ja, als Helen Talboys das Haus ihres Vaters in Wildernsea verließ, hinterließ sie einen Brief. Dieser Brief befindet sich in meinem Besitz.“
„Oh, tatsächlich.“
„Soll ich Ihnen sagen, wessen Handschrift der von Helen Talboys so sehr ähnelt, dass selbst der erfahrenste Sachverständige keinen Unterschied zwischen beiden feststellen könnte?“
„Eine Ähnlichkeit zwischen den Handschriften zweier Frauen ist heutzutage kein sehr ungewöhnlicher Umstand“, erwiderte Mylady gleichgültig. „Ich könnte Ihnen die Handschriften von einem halben Dutzend meiner Freundinnen zeigen, und weiß genau, dass Sie keinen Unterschied zwischen ihnen erkennen würden.“
„Und wenn nun die Handschrift sehr außergewöhnlich wäre und ausgeprägte Eigentümlichkeiten aufwiese?“
„Nun, in diesem Falle wäre eine Übereinstimmung wohl merkwürdig“, meinte Mylady, „doch es ist nichts weiter als eine zufällige Übereinstimmung.“
„Wenn aber eine Reihe solcher Übereinstimmungen auf das Gleiche hinausliefe ...“, sagte Robert.
Mylady zuckte mit den Achseln. „Es interessiert mich nicht, Sir! Sie haben mich nun schon eine halbe Stunde an diesem finsteren Ort aufgehalten. Ich muss Sie jetzt bitten, mich gehen zu lassen.“
„Nein, Lady Audley“, erwiderte Robert hart, was eigentlich ungewohnt bei ihm war. „Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass weibliche Winkelzüge Ihnen nicht helfen werden. Ich sage Ihnen nun, dass trotziger Widerstand Ihnen ebenfalls nichts nützen wird. Ich bin fair mit Ihnen umgegangen und habe Sie rechtzeitig gewarnt. Sie waren jedoch nicht bereit, diese Warnung anzunehmen. Doch die
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