Das Geheimnis der MacKenzies
Arm um ihre Taille. „Sie brauchen keine Angst zu haben, ich fresse Sie schon nicht.“ Drei Sekunden verstrichen, bevor er hinzufügte: „Noch nicht.“
Er spürte ihr Zusammenzucken. Diese Mischung aus Unerfahrenheit und unbewusster Sinnlichkeit trieb ihn noch in den Wahnsinn. Als er sie geküsst hatte, hatte sie mit einer Intensität reagiert, die ihn um den Verstand brachte und ihn fast seine Beherrschung hätte vergessen lassen. Doch gleichzeitig hatte er auch geahnt, dass sie jederzeit wie ein aufgeschrecktes Fohlen ausschlagen konnte. Nun, er war schon mit vielen Pferden fertig geworden, hatte sie beruhigt und handzahm gemacht. Er wusste genau, wie er vorgehen musste.
Jetzt hob er sie in seinen Truck, bevor sie noch ihre Meinung ändern würde, und kam auf die Fahrerseite. Ihr Vorschlag vom Morgen war ihm den ganzen Tag nicht aus dem Kopf gegangen, ebenso wenig wie die unverblümte Art, mit der sie ihn gemacht hatte. Caroline hatte nicht die geringste Ahnung, wie man flirtete oder schmeichelte, sie hatte einfach gesagt, was sie dachte. Und damit hatte sie sich angreifbar gemacht. Als er sie vor Arbeitsbeginn in die Arme zog, wollte er ihr sagen, dass sie dringend lernen musste, wie man sich selbst schützte. Sie hatte keinerlei Verteidigungsmechanismen und wusste es nicht einmal. Alles an ihr war geradeheraus, keine Umwege, keine Hinterhalte. Noch nie hatte eine Frau so zu ihm gesprochen, noch nie hatte eine Frau ihn so arglos und ungeheuchelt gebeten, ihr alles über Männer und Sex beizubringen. Den ganzen Tag über war die Erregung nicht gewichen, still hatte er die maßgeschneiderte Uniform verflucht.
Auch jetzt saß die Jeans, die er immer trug, wenn er keinen Dienst hatte, ungemütlich eng. Er rutschte auf seinem Sitz und versuchte, die langen Beine zu strecken. Verdammt, er musste entweder diese Hose oder seinen Ständer loswerden, am liebsten natürlich beides, in dieser Reihenfolge.
„Wohin geht’s diesmal?“, fragte sie und strich sich das vom Fahrtwind zerzauste Haar aus dem Gesicht.
„Essen Sie gerne Mexikanisch?“
Ihre Augen begannen zu leuchten. „Tacos“, schnurrte sie genießerisch, „Enchiladas, Sopapillas ...“
Joe lachte. „Okay, schon verstanden.“ Er schaute zu ihr, als sie sich erneut das Haar zurückstrich. „Soll ich die Fenster schließen und lieber die Klimaanlage einschalten?“
„Nein, ich mag es.“ Sie hielt kurz inne, bevor sie gestand: „Meine Corvette ist ein Cabriolet.“
Mit einem Grinsen richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf die Straße. Sie sollte „Paradoxon“ heißen, überlegte er, in ihr vereinen sich die krassesten Gegensätze.
Joe führte Caroline in sein Lieblingsrestaurant in Vegas, wo es die besten Enchiladas gab, die Caroline je gegessen hatte. Bei gutem Essen und einer eiskalten Margarita entspannte sie sich. Sie vergaß glatt, wie nervös sie gewesen war. Dass Joe nur Mineralwasser zu seinem Essen trank, verwunderte sie. „Ich dachte, Piloten sind angeblich so hartgesottene Trinker.“
„Die meisten von uns wissen einen guten Schluck zu schätzen, stimmt.“
„Aber Sie nicht?“
„Nein. Es gibt eine Frist, in der man vor einem Flug keinen Alkohol trinken darf, ich persönlich halte sie für zu großzügig. Ich will die absolute Kontrolle über mich selbst und meine Maschine haben, wenn ich in der Luft bin. Die Gesetze der Physik und der Aerodynamik lassen einem nur wenige Fehler bei Mach 2 durchgehen.“ Er hob sein Glas zu einem angedeuteten Toast. „Außerdem bin ich ein Halbblut. Ich trinke nicht. Punkt.“
Sie nickte zu dieser weisen Entscheidung. „Wenn es da oben wirklich so gefährlich ist, warum trinken Piloten dann überhaupt?“
„Um sich abzureagieren. Man ist für so lange Zeit dermaßen angespannt, dass man nur schwer wieder auf ein normales Level runterkommen kann. Das Adrenalin pumpt einem praktisch ständig durch die Adern. Jede Minute da oben steht unser Leben auf dem Spiel, selbst auf Routineflügen. Was rede ich, so etwas wie Routineflüge gibt es praktisch nicht.“
Caroline wollte schon eine Frage nach dem Night-Wing-Projekt stellen, doch sie besann sich. Sie nahm die Sicherheit nie auf die leichte Schulter.
Nach dem Dinner fragte sie: „Und wohin geht es jetzt?“, und wünschte im gleichen Augenblick, sie hätte nicht gefragt. Sie wünschte auch, sie hätte die Margarita nicht getrunken. Jetzt verstand sie sehr genau, was er vorhin mit der absoluten Kontrolle über sich selbst gemeint
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