Das Geheimnis der MacKenzies
festlegte, wie weit er sie an sich herankommen ließ und beendete die Dinge, wann er wollte. An dem ersten Abend, als er Caroline sah, war er es, der beschlossen hatte, eine Affäre mit ihr anzufangen, aber nach seinen Regeln und zu seinen Bedingungen. Es erschreckte Joe, dass sie ihn nicht nur dazu bringen konnte, die eigenen Regeln zu brechen - in ihrer Gegenwart konnte er seine Grundsätze komplett vergessen.
„Meine Unterkunft liegt im Offiziersquartier“, setzte er schließlich sachlich an. „Dorthin kann ich dich nicht mitnehmen. Genauso wenig kann ich zu dir kommen. Morgen ist Freitag, am Wochenende habe ich dienstfrei. Wir nehmen uns ein Hotel in Vegas und verbringen das Wochenende dort.“
Er ging also ganz selbstverständlich davon aus, dass sie immer noch einverstanden war. Ha! Caroline kochte innerlich. Umso mehr, da sie sich eingestehen musste, dass sie einverstanden war.
„Gut“, presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Die Rückfahrt verlief in eisigem Schweigen. Joe und Caroline saßen im Wagen wie zwei Gegner, nicht wie zwei Menschen, die soeben beschlossen hatten, eine Beziehung miteinander anzufangen. Als sie bei Caroline ankamen, sprang sie aus dem Wagen, ohne auf Joe zu warten.
Er ließ den Motor laufen und eilte ihr nach, griff nach ihr und wirbelte sie zu sich herum. „Mein Gute-Nacht-Kuss“, erinnerte er sie und riss sie in seine Arme.
Jeder, der vorbeiging, konnte diesen Kuss unmöglich als freundschaftlich oder als die Art Kuss bezeichnen, die man in der Phase des Kennenlernens tauschte. Sie standen eng aneinandergepresst da, und nach anfänglichem Protest ergab Caroline sich dem mitreißenden Gefühl und legte den Kopf in den Nacken, um Joes Wildheit mit der eigenen begegnen zu können.
Joe gab sie abrupt frei und trat einen Schritt zurück. Seine Augen glitzerten. „Du brauchst kein Nachthemd einzupacken“, murmelte er.
Schweigend sah Caroline zu, wie Joe zu seinem Truck ging und einstieg. „Das hatte ich auch nicht vor“, flüsterte sie, als er davonbrauste.
6. KAPITEL
A m nächsten Morgen konnte Caroline ihren Ausweis nicht finden. Normalerweise legte sie die Karte auf der Kommode ab, aber dort lag sie nicht. Sie suchte überall, in Schränken, Schubladen, unter Möbeln, in sämtlichen Taschen, in ihrer schmutzigen Wäsche, sogar im Abfalleimer. Die Karte blieb verschwunden.
Entnervt setzte sie sich und versuchte, systematisch nachzuvollziehen, was sie mit dem verflixten Ding gemacht hatte. Sie kam nicht drauf, ihr Kopf war wie leer. Joe hatte sie so gründlich abgelenkt, sie könnte die Karte sogar geschluckt haben, ohne es zu wissen.
Ohne diesen Ausweis hatte niemand Zutritt zu den Gebäuden. Der auf der Karte eingeschweißte Sicherheitscode wurde beim Einlass von einem Lesegerät gescannt. Jeder, der eine der Sicherheitszonen ohne entsprechende Berechtigung betreten wollte, würde sofort Alarm auslösen und Soldaten mit Gewehren im Anschlag herbeirufen.
Caroline war entsetzt über ihre Achtlosigkeit. Ersetzt werden konnten die Karten nicht, eine verlorene oder beschädigte Karte musste aus dem Computersystem gelöscht werden. Und wegen der Sicherheit waren unzählige Formulare in vierfacher Ausfertigung aus zufüllen und abzuzeichnen, bevor sie eine neue Karte bekommen konnte. Wahrscheinlich müsste sogar der oberste Kommandant des Stützpunkts, Major General Tuell, unterschreiben. Das würde dauern.
Also ... gestern hatte sie den Ausweis noch gehabt, sonst wäre sie ja nicht ins Gebäude gekommen. Caroline erinnerte sich daran, dass sie die Karte an einen Ordner geklemmt hatte. Hatte der Clip sich vielleicht gelöst, und der Ausweis war heruntergefallen, ohne dass sie es bemerkt hatte? Gut möglich. Joes Küsse hatten sie vollkommen außer Gefecht gesetzt; sie hatte ja den ganzen Tag an nichts anderes denken können als an die Verabredung mit ihm.
Wenn der Ausweis also irgendwo im Büro lag, warum war der Alarm dann nicht losgegangen, als sie das Gebäude verlassen hatte? Wahrscheinlich, weil das Lesegerät so positioniert war, dass nur beim Eintritt, nicht aber beim Verlassen kontrolliert wurde. Ja, das war die einzig logische Erklärung. Da niemand ohne Identifizierung hineinkam, brauchte man sich auch keine Gedanken zu machen, wer hinausging. Aber wie sollte sie herausfinden, ob der Ausweis tatsächlich im Büro lag?
Sie überdachte die Möglichkeiten, die ihr offenstanden. Wenn sie den Sicherheitsdienst benachrichtigte, würde das eine
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