Das Geheimnis der MacKenzies
sein Gegenstück, seine Frau. Für ihn gab es keine andere.
Irgendwie brachte er sich dazu, Worte zu formen, auch wenn seine Lippen sich taub anfühlten. „Ich ... ich muss die Kontrolle behalten.“
Er spürte ihre Hand, die ihm sanft das Haar aus der Stirn strich, fühlte, wie sie mit den Fingerspitzen über seine Wange fuhr. „Das ist mir auch schon aufgefallen“, murmelte sie leicht spöttisch.
Es war unmöglich, es ihr zu erklären, wenn sie ihm so nahe war, dass ihr nicht die geringste Veränderung in seinem Gesicht entgehen würde. Joe schob sie von sich, auch wenn sein Körper sich ohne die Verbindung zu ihr plötzlich unvollständig anfühlte. Caroline war verwirrt über die unerwartete Veränderung, instinktiv bedeckte sie ihre bloße Brust mit den Armen. Diese Geste war so typisch weiblich, dass Joe Caroline an sich zog und festhielt, das Gefühl ihrer seidigen Haut genoss und ihren Duft einatmete, um Kraft zu sammeln.
Dann wischte er ihr vorsichtig den Sand vom Rücken, zog sein Hemd aus und legte es ihr über die Schultern. Er küsste sie, hart und fest, bevor die Anspannung ihn auf die Füße trieb. Mit dem Rücken zu ihr stand er da, den Blick auf die endlose Wüste gerichtet.
„Dad wurde ins Gefängnis gesteckt, als ich sechs Jahre alt war.“ Seine Stimme klang heiser, gepresst. „Verurteilt für ein Verbrechen, das er nicht begangen hatte. Der wahre Täter wurde schließlich gefasst und legte ein volles Geständnis ab. Doch bis dahin hatte Dad bereits zwei Jahre hinter Gittern verbracht, und ich verbrachte diese Zeit bei Pflegeeltern.“
Hinter ihm herrschte absolute Stille, doch Joe spürte, mit welcher Aufmerksamkeit Caroline ihm zuhörte. „Vielleicht war einfach etwas an mir, das den Mann in der ersten Familie reizte. Vielleicht lag es auch daran, dass ich ein Halbblut war. Sie hatten andere Pflegekinder, aber auf mich hatte er es abgesehen. Ich war ein Kind, ich würde Dinge kaputtmachen, ich würde beim Spiel mit den anderen Kindern wütend werden, so wie das bei Kindern eben ist. Ich war größer und stärker als die anderen in meinem Alter, aber ich wusste nicht, wie ich meine Kraft kontrollieren sollte. Wenn irgendjemand etwas Schlechtes über meinen Vater sagte, wurde ich wild und versuchte, so viel Schaden wie möglich anzurichten.“
Gedankenverloren seufzte Joe. „Dieser Mann schlug mich, jedes Mal, wenn ich etwas anstellte, und wenn ich nur über einen Aschenbecher stolperte, den er auf dem Boden hatte stehen lassen. Zuerst nahm er den Gürtel, doch dann schlug er mit den Fäusten zu. Ich wehrte mich, und er schlug mich nur noch härter. Ich war kaum noch in der Schule, weil er mich mit den Blutergüssen im Gesicht nicht gehen ließ.“
Es wurde schwerer, die Erinnerungen immer schwärzer, und das Schlimmste war nicht einmal ausgesprochen. Trotzdem zwang Joe sich dazu fortzufahren. „Er versetzte mir einen Tritt, und ich fiel die Treppe hinunter, brach mir zwei Rippen. Dennoch kämpfte ich weiter gegen ihn. Vermutlich hätte man mir vorwerfen können, dass ich nicht wusste, wann ich aufhören musste. Aber mein Temperament ging jedes Mal mit mir durch, so als hätte jemand eine Lunte angezündet. Also begann er, mich mit brennenden Zigaretten zu traktieren, wenn ich frech war und Widerworte gab. Ich war in einem Albtraum gefangen und konnte nicht heraus“, sagte er leise. „Es schien niemanden zu interessieren, was mit mir geschah. Ich war ein Halbblut, weniger wert als ein räudiger Straßenköter. Eines Tages versetzte er mir eine Ohrfeige, und ich drehte komplett durch. Ich trat den Fernseher ein, warf Sachen gegen die Wand, rannte in die Küche und riss das Geschirr aus den Schränken. Er war direkt hinter mir, schlug auf mich ein, und dennoch hörte ich nicht auf. Schließlich erwischte er mich, ich war ja nur sechs, und zerrte mich die Kellertreppe hinunter. Er zog mich aus und verprügelte mich, was das Zeug hielt.“
Joes Herz raste, so wie es damals an jenem Tag vor fast dreißig Jahren gerast hatte. Er hatte es noch nie jemandem gesagt, aber jetzt musste es ausgesprochen werden. „Danach verging er sich an mir.“
Joe hörte die Bewegung hinter sich und fühlte förmlich, wie die Luft erzitterte, als Caroline auf die Füße sprang. Er drehte sich nicht um.
„Im Nachhinein denke ich, er war über sich selbst entsetzt, dass er zu so etwas fähig war. Er hat mich nie wieder angerührt, mit keinem Finger. Und ich habe nie wieder die Beherrschung
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