Das Geheimnis der Maori-Frau (German Edition)
er mit seinen Hundenaus dem Wagen stieg. Sie wollte geradewegs an ihm vorbeilaufen, doch Josh hielt sie zurück.
»Ab hier wird es wirklich gefährlich«, schrie er gegen das Brüllen des Sturms an. »Am besten, du hältst dich direkt hinter mir.«
Der Wind peitschte ihr den Regen ins Gesicht, und sie war trotz Regenjacke und Gummistiefeln bald bis auf die Haut durchnässt. Den Hunden schien der Sturm wenig auszumachen, sie tollten wie junge Welpen durch Pfützen und Schlammlöcher. Trotzdem war es Shelly schleierhaft, wie sie bei diesem Wetter die vermissten Schafe finden sollten, doch sie vertraute Josh. Was blieb ihr schon anderes übrig?
Plötzlich musste sie daran denken, was Lenny gesagt hatte. Es stimmte, sowohl die Sache mit der stornierten Futterlieferung als auch das geöffnete Gatter trug die Handschrift der Person, die Shelly bereits seit ihrer Ankunft in Aorakau Valley das Leben schwer machte: Joshs Mutter.
Sie wischte sich das Wasser aus dem Gesicht und musterte Josh unauffällig. Trotz der unförmigen schwarzen Öljacke, deren Kapuze er sich tief ins Gesicht gezogen hatte, sah er verdammt gut aus. Er war einfach ganz anders als die Männer, die sie aus L. A. kannte. Ehe sie Adrian kennengelernt hatte, war sie eigentlich nur mit Kommilitonen von der Uni ausgegangen. Sie waren allesamt freundlich, zuvorkommend und charmant gewesen. Doch Josh spielte in einer vollkommen anderen Liga.
Er war ein richtiger Mann – Shelly wusste nicht, wie sie es anders beschreiben sollte. Er war so konsequent in allem, was er tat. Wenn er etwas sagte, dann meinte er es auch so. Bei ihm gab es einfach kein Herumgerede um den heißen Brei, und das schätzte sie sehr.
Aber er war auch der Sohn von Geraldine Wood.
Trotzdem – ihr Bauchgefühl sagte ihr, dass er nichts mit ihren Intrigen zu tun hatte. Die Frage war – konnte sie sich auf ihr Bauchgefühl verlassen? Oder wollte sie einfach nur glauben, dass Josh ehrlich zu ihr war?
Als sie merkte, dass sie bereits ein gutes Stück hinter Josh zurückgeblieben war, verscheuchte sie den Gedanken und beeilte sich, wieder zu ihm aufzuholen. Die Hunde waren vorausgelaufen. Nur zwischendurch hörte sie die beiden kläffen.
Sie folgten einem schmalen Fußpfad, der steil nach oben führte. Mehr als einmal rutschte sie auf dem aufgeweichten Boden aus, und Josh musste ihr aufhelfen, damit sie weitergehen konnten. Doch wenigstens hatte der Regen inzwischen nachgelassen. Die Wolken rissen auf, und als sie die Kuppe des Hügels erreichten, eröffnete sich zu ihren Füßen ein Anblick, der ihr den Atem raubte.
Durch die tief über dem Tal hängende Wolkendecke drang ein einzelner, breiter Sonnenstrahl und tauchte das ganze Land in einen unwirklichen goldenen Schein. Das Licht brach sich in den Regentropfen, die jeden Grashalm und jedes Blatt bedeckten, und verwandelte die Ebene in ein Meer aus Diamanten. Ein Gefühl von tiefer Ehrfurcht und Verbundenheit durchströmte sie. Dieses wunderbare Fleckchen Erde würde auch dann noch existieren, wenn sie alle – Mensch und Tier – schon längst zu Staub zerfallen waren.
»Dort hinten sind sie«, sagte Josh.
Sie folgte seinem Blick. In der Nähe einer Gruppe mächtiger Bäume entdeckte sie schließlich einige weiße Flecken, die sich vom Grün der Wiesen und Weiden abhoben – die vermissten Schafe.
Sofort wollte Shelly weitermarschieren, doch Josh hielt sie zurück.
»Nein«, sagte er, »da können wir nicht runter. Siehst du den Unterstand dort hinten?« Als sie in die Richtung blickte, in die er deutete, erkannte sie in einiger Entfernung tatsächlich ein kleines Holzhäuschen.
»Was ist das?«, fragte sie.
»Das ist die Grenze des Grundstücks deiner Familie. Der Bereich vom Fuß des Hügels bis zu dieser Hütte ist vollkommen untergraben. Es wäre viel zu riskant für einen Menschen, dieses Terrain zu betreten. Unser Gewicht könnte ausreichen, um die ohnehin schon marode unterirdische Stützkonstruktion zum Einsturz zu bringen.«
Shelly hob eine Braue. »Und was schlägst du vor?«
»Wir schicken die Hunde. Sie können sich dort unten relativ gefahrlos bewegen, außerdem sind sie genau für solche Aufgaben ausgebildet.« Er legte Daumen und Zeigefinger zusammen und führte sie an die Lippen. Als er schlagartig die Luft ausstieß, hallte ein schriller Pfiff durch das ganze Tal.
Die beiden Hunde, die schon wieder ein Stück vorausgelaufen waren, blieben abrupt stehen und schauten sich nach ihrem Herrn um. Der brauchte
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