Das Geheimnis der Maori-Frau (German Edition)
doch das mulmige Gefühl blieb, als Kim schließlich zur Anhörung aufgerufen wurde.
Umso erleichterter waren Mutter und Tochter, als sie knapp eine Stunde später aus dem Saal traten – Kim war noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen.
»Ich hätte nicht gedacht, dass Mr Mulligan persönlich erscheinenwürde, um ein gutes Wort für mich einzulegen«, seufzte Kim, die wie befreit wirkte. »Das war richtig nett von ihm, und den Richter fand ich auch echt okay. Dass er mir Sozialstunden verordnet hat, ist voll in Ordnung, schließlich habe ich ja wirklich Mist gebaut!«
Es war ein herrliches Gefühl für Shelly, ihre Tochter so strahlen zu sehen. Die Vierzehnjährige sprudelte förmlich über vor lauter Glück, jetzt, wo das Damoklesschwert, das die ganze Zeit drohend über ihrem Kopf gehangen hatte, endlich verschwunden war.
»Und was machen wir jetzt?«, fragte Shelly. »Zur Feier des Tages sollten wir irgendetwas unternehmen, findest du nicht?«
Kim nickte, dann runzelte sie die Stirn und fixierte einen Punkt auf der gegenüberliegenden Straßenseite. »Sag mal, ist das nicht … Josh!« Aufgeregt winkend hob sie die Stimme. »Josh! Hier sind wir!«
Shellys Lächeln gefror, als sie den Mann erblickte, den sie einfach nicht vergessen konnte, obwohl sie sich doch genau das am Allermeisten wünschte. Sie machte gute Miene zum bösen Spiel, als Kim sie bei der Hand nahm und mit sich zog. Dabei stand ihr der Sinn nach allem Möglichen, nur nicht danach, Josh zu begegnen.
Trotzdem konnte sie nicht verhindern, dass sein warmes Lächeln, das er ihrer Tochter schenkte, etwas in ihr auslöste. Etwas, an das Shelly lieber nicht rühren wollte.
»Josh!«, rief Kim begeistert und fiel ihm halb um den Hals. »Was machst du denn hier? Bist du zufällig in der Stadt?«
»Um ehrlich zu sein – nein, nicht ganz. Ich bin deinetwegen hier, Kim.«
»Meinetwegen?« Ihre Augen wurden groß.
»Ganz recht. Nun sag schon: Wie ist die Anhörung gelaufen?Als ich hörte, dass du vorgeladen worden bist, habe ich meinen alten Studienfreund Jeff angerufen, der als Richter hier am Youth Court arbeitet. Natürlich konnte er die Angelegenheit nicht einfach so auf sich beruhen lassen, aber … Na ja, jedenfalls war Walter Mulligan sofort bereit, sich für dich einzusetzen. Seine Mutter Renée hat die ganze Sache überhaupt ins Rollen gebracht, indem sie den Diebstahl der Ohrringe zur Anzeige brachte. Und ich fürchte …« Er zuckte mit den Schultern. »Nun, Renée wiederum ist eine gute Freundin meiner Mutter – ebenso wie der Polizeichef von Aorakau Valley.«
Jetzt konnte Shelly nicht mehr still bleiben. »Soll das heißen, du gibst zu, dass wir diesen ganzen Ärger deiner Mutter zu verdanken haben?«
»Was soll ich sagen?« Seufzend hob er die Schultern. »Ich hatte deswegen einen ziemlich üblen Streit mit ihr.« Er schaute Shelly direkt in die Augen. »Meine Mutter … Nun, sie glaubt, das alles für die Familie, für Emerald Downs tun zu müssen. Ich habe versucht, ihr klarzumachen, dass sie dieses Mal wirklich zu weit gegangen ist, aber davon wollte sie natürlich nichts hören. Auch deshalb bin ich hier – um dir, um euch beiden zu sagen, dass es mir leidtut. Mir und dem Rest meiner Familie. Meine Schwester Maggie ist ein herzensguter Mensch, und selbst mein Vater …«
»Ist schon gut«, fiel Kim ihm ins Wort. Sie nahm seine Hand und drückte sie sanft. »Du kannst nichts dafür, dass deine Mutter so eine miese Schlange ist.« Sie grinste. »Eigentlich finde ich dich sogar ganz cool, wenn man bedenkt, dass du schon über dreißig bist!«
»Frechdachs, du!« Josh zauste ihr das Haar, woraufhin Kim seine Hand protestierend wegschlug.
»Spinnst du? Meine Frisur …!«
Sie lachte, und Shelly stand da und spürte, wie sich ein Kloß in ihrer Kehle bildete, der immer größer und größer wurde. Diese Szene zwischen Kim und Josh hatte etwas so Vertrautes an sich – ein Außenstehender hätte vermutlich angenommen, dass es sich bei ihnen um Vater und Tochter handelte. Dabei saß Kims Dad fast 7000 Meilen entfernt im Gefängnis – und zwar, weil sie, Shelly, ihn dort hineingebracht hatte.
Nicht, dass sie ihre Entscheidung infrage stellte oder gar bereute, nein! Sie hatte das einzig Richtige getan, so viel stand fest. Wie hätte sie sich selbst denn noch im Spiegel ansehen sollen, wenn sie zugelassen hätte, dass Adrian weiterhin Menschen ins Unglück stürzte?
Das Einzige, das sie sich wünschte, war, ihren
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