Das Geheimnis der Maori-Frau (German Edition)
den Sinn kommen, irgendwo anders leben zu wollen. Aber das bedeutet nicht, dass ich Sie nicht verstehen könnte, Shelly. Viele Menschen aus der Stadt haben eine romantisch verklärte Sicht vom Leben auf dem Land. Aber eine Schaffarm zu leiten bedeutet vor allem knochenharte Arbeit, Schweiß, Staub und Tränen. Und reich werden kann man damit auch nur in den seltensten Fällen.«
»Sie würden mir also davon abraten, die Farm meines Großvaters weiterzuführen?« Shelly runzelte die Stirn. Sie hatte plötzlich das Gefühl, dass das Gespräch in eine ganz bestimmte Richtung abdriftete. Eine Richtung, die ihr keineswegs behagte.
»Nun, für eine alleinstehende Frau und zwei Kinder dürfte es schwierig werden, die notwendigen Arbeiten zu bewältigen.Vielleicht wären Sie besser beraten, die Farm zu einem vernünftigen Preis zu verkaufen und in eine der größeren Städte wie Christchurch, Wellington oder Auckland zu ziehen.«
Mit einem Mal war Shellys gute Laune wie weggeblasen. Josh ahnte nicht, dass sie keineswegs vorhatte, in Aorakau Valley zu bleiben, um Schafe zu züchten. Umso offensichtlicher war sein Versuch, sie zu beeinflussen.
»Darf ich raten, wen Sie mir als Käufer für das Grundstück empfehlen würden?« Klirrend stellte sie ihre Kaffeetasse auf dem Unterteller ab und stand auf. »Vielen Dank für die kleine Lektion in Heimatkunde – richten Sie Ihrer Mutter bitte aus, dass sich mein Standpunkt nicht geändert hat: Ich werde auf keinen Fall zulassen, dass die Farm meines Großvaters Ihrer Familie in die Hände fällt.« Sie nickte Josh noch einmal knapp zu. »Schönen Tag noch!«
Mit steifen Schritten marschierte sie über den Platz und ignorierte Josh, der ihr nachrief. Sie war so wütend! Wie hatte sie so dumm sein können, auf diesen billigen Trick hereinzufallen? Josh Wood wollte nur eines von ihr: die Farm ihres Großvaters. Seine Entschuldigung, seine Freundlichkeit, seine Einladung – all das diente einzig und allein dem Zweck, sie dazu zu bringen, die Farm an seine Familie zu verkaufen.
Doch wenn er wirklich glaubte, dass er damit durchkam, dann würde er sich noch wundern!
Als Shelly ihren Mietwagen erreichte, der vor dem Eingang der Jobvermittlung am Straßenrand stand, stieg sie ein, ließ den Motor an und jagte mit quietschenden Reifen davon.
»Geh … rein … da … verdammt … noch … mal …!« Bei jedem Wort ließ Shelly den Hammer niedersausen und schlug den ohnehin schon verbogenen Nagel noch weiter krumm.
Als sie vor etwas mehr als einer Stunde heimgekehrt war, hatte sie auf dem Küchentisch eine Nachricht vorgefunden:
Hey, Shelly,
bin nach Milton gefahren, um ein paar dringende Einkäufe zu erledigen. Habe die Kinder zu meiner Schwägerin Katie gebracht, die in der Nähe eine Pferdezucht betreibt. Dachte, das könnte Kim vielleicht Spaß machen – hoffe, das ist okay für Sie.
Bis später, Emily.
Normalerweise hätte sich Shelly über die Gelegenheit, ein paar Stunden nur für sich allein zu haben, möglicherweise sogar gefreut. Doch nach ihrer Begegnung mit Josh Wood war sie so wütend und aufgebracht, dass sie einfach jemanden zum Reden brauchte – oder etwas, an dem sie all ihren Frust auslassen konnte. Und so war sie kurzerhand einfach auf die hohe Leiter gestiegen, die Emily und sie am Morgen gemeinsam aus dem Schuppen geholt hatten, und war aufs Verandadach geklettert.
Als sie jetzt einen Wagen hörte, der sich der Farm näherte, ließ sie den Hammer sinken und beschattete die Augen mit der flachen Hand. Es war Emily, die, als sie Shelly auf dem Dach erblickte, vor Schreck ihre Einkaufstüten fallen ließ.
»Um Himmels willen, Shelly! Was machen Sie denn da oben? Tun Sie das nie wieder, hören Sie? Allein ist so etwas viel zu gefährlich! Sie hätten mit der Leiter umfallen oder durch eine morsche Stelle im Dach brechen können, und es wäre niemand da gewesen, um Ihnen zu helfen, ist Ihnen das eigentlich klar?«
Dessen war sich Shelly tatsächlich nicht bewusst gewesen. Sie kletterte die heftig wackelnde Leiter hinunter, die jetztvon Emily gesichert wurde. »Tut mir leid, aber ich brauchte einfach etwas, um mich abzureagieren. Und da das Dach ohnehin repariert werden muss …«
Skeptisch hob Emily eine Braue. »Und, hat es wenigstens etwas gebracht?«
Sofort musste Shelly an den vollkommen verbogenen Nagel denken. Sie lachte. »Na ja, wie man’s nimmt. Auf jeden Fall fühle ich mich jetzt wesentlich besser.«
»Schön, dann schlage ich vor, ich
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