Das Geheimnis der Maori-Frau (German Edition)
den Woods eben, dass sie dieses Jahr statt sechzig Arbeiter nur fünfundfünfzig bekommen«, entgegnete sie mit Nachdruck.
Erschrocken blickte der Mann sie an. »Ich soll – was?« Energisch schüttelte er den Kopf. »Nein, Miss, ich werde mich ganz sicher nicht mit Geraldine Wood anlegen – und Ihnen würde ich genau dasselbe raten. Sie sind neu in Aorakau Valley, daher wissen Sie noch nicht, wie die Dinge hier laufen, aber …«
Jetzt reichte es Shelly wirklich. »Du lieber Himmel!«, stieß sie entrüstet hervor. »Warum benehmen sich bloß alle, als seien diese Leute die alleinigen Herrscher über das Tal? Hat denn hier niemand genug Mut, den Woods die Stirn zu bieten?«
Damit hatte sie den Angestellten der Jobvermittlung eindeutig verstimmt. Er begegnete ihrem wütenden Blick mit undurchdringlicher Miene. »Wie ich bereits sagte: Sie wissen nicht, wie die Dinge hier laufen. Wenn ich Sie nun bitten dürfte … Ich habe noch andere Kunden zu bedienen.«
Shelly sah sich um. Der Einzige, der sich im Wartebereich der Jobvermittlung aufhielt, war ein älterer Herr in Latzhosen und Gummistiefeln, der seelenruhig in einer Zeitschrift blätterte und sich keineswegs daran zu stören schien, dass er warten musste. Ungläubig schüttelte sie den Kopf. »Also, das ist doch …!«
Als sie kurz darauf die Tür zur Straße aufstieß, war sie so aufgebracht, dass sie den Mann, in den sie praktisch hineinlief, erst bemerkte, als es schon zu spät war. Kurz fing sie noch den Blick wacher blaugrauer Augen auf, dann prallte sie auch schon mit ihm zusammen.
Der Stoß ließ Shelly stolpern, sie kam aus dem Gleichgewicht und taumelte zurück – geradewegs auf die Verandastufen des Gebäudes zu. Sie sah sich bereits fallen, da fühlte sie, wie sich starke Hände um ihre Taille legten und sie festhielten.
Im nächsten Moment fand sie sich in Josh Woods Armen wieder. Ausgerechnet!
Unwillkürlich fing Shellys Herz wie wild zu hämmern an, und sie musste sich eingestehen, dass ihr Beinahe-Sturz nicht viel damit zu tun hatte. Nein, es war seine Nähe, die diese Reaktion in ihr auslöste.
Hastig machte sie sich von ihm los und brachte den Rock ihres geblümten Sommerkleids in Ordnung, der bei ihrem Zusammenstoß nach oben gerutscht war. »Danke«, sagte sie widerwillig.
»Wie war das?« Auch ohne aufzusehen, spürte sie seinen spöttischen Blick so deutlich, als würde er sich in ihre Haut brennen. »Könnten Sie das noch einmal sagen? Ich bin nicht sicher, ob ich Sie wirklich richtig verstanden habe.«
Ärgerlich funkelte Shelly ihn an. »Sie halten sich wohl für sehr geistreich, wie? Ich habe Ihnen für Ihre Hilfe gedankt, Mr Wood, aber ich werde mich gewiss nicht von Ihnen verspotten lassen.« Sie nickte ihm knapp zu. »Einen schönen Tag noch.«
Hastig wandte sie sich ab, um zu gehen, doch er hielt sie zurück. »Warten Sie, ich …« Er atmete tief durch. »Hören Sie, ich wollte Sie keineswegs verspotten, Shelly. Und sollteich unbeabsichtigt diesen Eindruck erweckt haben, tut es mir sehr leid. Aber das ist noch nicht alles.«
Sie blinzelte irritiert. »Sondern?«
»Nun, ich möchte mich auch für mein Verhalten neulich Abend bei Ihnen entschuldigen. Ich war einfach nur sehr überrascht, Sie dort draußen anzutreffen.« Er machte eine alles umfassende Handbewegung. »Was ist, darf ich Sie als Zeichen meiner tiefen Reue vielleicht zu einem Kaffee einladen?«
Shelly konnte keinen klaren Gedanken fassen, sondern nur sein Lächeln betrachten. Es war ein jungenhaftes, völlig ungekünsteltes Lächeln, das ihr Schmetterlinge im Bauch verursachte.
Was ist mit dir los? Hast du nicht gerade eben noch alle Woods verflucht?
Das hatte sie allerdings. Und sie gedachte nicht, sich so einfach um den Finger wickeln zu lassen. »Mr Wood, ich weiß wirklich nicht …«
»Bitte nennen Sie mich Josh. Wenn Sie Mr Wood sagen, habe ich immer das Gefühl, dass Sie mit meinem Vater sprechen.«
Shelly konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken und schob ihre Bedenken für einen Moment beiseite. »Also schön, Josh. Aber wirklich höchstens auf einen Kaffee – ich habe heute noch eine Menge zu erledigen.«
Aorakau war eine typische Kleinstadt, die sich in vielen Punkten nicht großartig von vergleichbaren Ortschaften in Kalifornien unterschied, so viel hatte Shelly inzwischen bereits festgestellt. Sie bestand mehr oder weniger aus zwei parallel verlaufenden Hauptstraßen und der Marangai Road, die direkt am Ufer des Silver Creek
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