Das Geheimnis der Maori-Frau (German Edition)
haben!
»Warum wollen Sie sich überhaupt die Mühe machen, die alte Farm zu renovieren?« Der rundliche Mann, der hinter dem Schalter der Jobvermittlung stand, musterte Shelly erstaunt. »Jeder hier weiß doch, dass die Woods bereit wären, Ihnen einen fairen Preis für das Land zu zahlen, ohne dass Sie dafür auch nur einen Finger rühren müssten!«
Shelly konnte schon nicht mehr zählen, wie oft man ihr in den drei Tagen, die seit ihrer Ankunft in Aorakau vergangen waren, genau diesen Ratschlag unterbreitet hatte. Überhaupt war eine Menge passiert – und so ziemlich das Einzige, wasman als positiv bezeichnen konnte, war, dass sie es geschafft hatte, Wills Buch per Post nach Kalifornien zu schicken.
Obwohl Emily und sie selbst beinahe rund um die Uhr daran arbeiteten, die Farm wieder in Schuss zu bringen, kamen sie kaum voran. Schlimmer noch – für jedes Loch, das sie stopften, schienen zwei neue aufzureißen. Erst gestern hatte Will entdeckt, dass sich eine Mäusefamilie im Hohlraum zwischen den Wänden von Küche und Wohnzimmer eingenistet hatte. Die Zuleitung vom Regenwassertank, über den das Haus mit Brauchwasser für die Toilettenspülung und die Dusche versorgt wurde, hatte mehrere Lecks in der Größe von Fünf-Cent-Münzen. Daher wunderte sich Shelly inzwischen nicht mehr, dass morgens schon nach wenigen Minuten nur noch ein dünnes Wasserrinnsal aus dem Brausekopf tröpfelte. Was sie allerdings wirklich erstaunte, war, dass Emily es so lange in diesem maroden Haus ausgehalten hatte. Doch auf sich allein gestellt war ihr vermutlich bisher nicht viel anderes übrig geblieben. Shelly kämpfte ja selbst ständig mit dem Gefühl, dass ihr die Dinge vollkommen über den Kopf wuchsen.
Will bemühte sich, Emily und ihr zu helfen, wo er nur konnte. Währenddessen hockte Kim fast den ganzen Tag auf ihrem Zimmer herum, hörte über ihren iPod Musik und schrieb pausenlos SMS an ihre Freunde zu Hause. Sie weigerte sich, auch nur einen Finger zu rühren, um bei der Renovierung der Farm zu helfen. Und jedem, der es hören wollte, verkündete sie, dass es ja schließlich nicht ihre Idee gewesen sei, in diese heruntergekommene Bruchbude zu ziehen.
Mit all dem wäre Shelly ja möglicherweise noch irgendwie fertig geworden, hätte Emily nicht heute Morgen am Frühstückstisch gesagt: »Der Dachstuhl vom Vorratsspeicher bereitetmir ernsthaftes Kopfzerbrechen. Er ist schon lange nicht mehr in Ordnung, aber ich hatte nie das Geld, um ihn instand setzen zu lassen. Seit einem heftigen Sturm vor drei Wochen sackt die ganze Konstruktion nun immer weiter in sich zusammen. Ich fürchte, das Dach wird einstürzen, wenn wir nicht bald etwas unternehmen.«
In diesem Moment war Shelly sich darüber klar geworden, dass sie die ganze Arbeit unmöglich allein schaffen konnten. Und so war sie kurzerhand in die Stadt gefahren, um Hilfe zu organisieren. Zum Erbe ihres Großvaters gehörte neben der Farm auch ein Geldbetrag, von dem Shelly nach Abzug aller Steuern noch eine Summe von umgerechnet knapp zehntausend Neuseeland-Dollar geblieben war. Sie hatte das Geld eigentlich für die Zeit nach Aorakau Valley verwenden wollen, aber wenn die Arbeiten weiterhin in diesem Tempo vorangingen, würden sie die nächsten Jahre nicht von hier wegkommen.
Und so stand sie jetzt im Büro des Jobcenters, um Hilfskräfte für die Renovierung der Farm ihres Großvaters zu engagieren.
»Ich würde mir den Käufer für die Farm meines Großvaters gern selbst aussuchen, wenn es Ihnen nichts ausmacht«, erwiderte sie gereizt auf die Bemerkung des Vermittlers. »Was ist nun? Werden Sie mir Arbeiter für die Instandsetzung vermitteln?«
»Ihre Entscheidung, Miss.« Er zuckte mit den Schultern und konzentrierte sich wieder auf seinen Computermonitor, tippte etwas ein und seufzte schließlich. »Bedaure, aber ich kann Ihnen leider nicht weiterhelfen.«
»Was? Aber … Wie ist das möglich? Hören Sie, wenn es sich um ein finanzielles Problem handeln sollte – ich bin gern bereit, Ihren Leuten fünf Prozent mehr zu zahlen.«
»Das ist es nicht, Miss. Ich fürchte, Sie haben sich einfach einen denkbar ungünstigen Zeitpunkt für Ihr Vorhaben ausgesucht. Wir haben Schafschursaison, da wird jeder Mann gebraucht, der fähig und willens ist, kräftig mit anzupacken. Allein die Woods haben für Emerald Downs gut fünf Dutzend Arbeiter für die Saison engagiert. Tut mir wirklich leid.«
Doch so leicht ließ Shelly sich nicht abfertigen. »Dann sagen Sie
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