Das Geheimnis der Maori-Frau (German Edition)
Stirnrunzelnd hielt er den Wagen an, stieg aus und blickte sich um. Als er die graue Rauchsäule sah, die etwa eine Meile westlich von ihm in den Himmel aufstieg, stieß er einen unterdrückten Fluch aus.
Sofort dachte er an den unbekannten Brandstifter. Hatte er etwa wieder zugeschlagen?
Hastig stieg Josh wieder in den Wagen und fuhr los. Mit quietschenden Reifen verließ er die befestigte Straße und jagte querfeldein der immer größer werdenden Qualmwolke entgegen. Als ihr Ursprung kam eigentlich nur ein Anwesen infrage – und das war die Makepeace-Farm. Josh spürte, wie seine Kehle eng wurde bei dem Gedanken, dass Shelly oder ihren Kindern womöglich etwas zugestoßen sein könnte. Bisher waren bei den Bränden, die der Feuerteufel im Tal gelegt hatte, keine Menschen verletzt worden. Aber das konnte ihn nicht beruhigen. Einmal war bekanntlich immer das erste Mal …
Er drückte das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Wenige Minuten später tauchte die Makepeace Farm vor ihm auf. Endlich! Doch was er sah, beunruhigte ihn über alle Maße: Rauch, überall Rauch. Erst als der Wind plötzlich auffrischte und die grauen Schwaden auseinandertrieb, konnte er überhaupt etwas erkennen. Das Wohnhaus sah unbeschädigt aus, doch eines der Nebengebäude, vermutlich der alte Vorratsspeicher, wirkte arg mitgenommen. Allerdings konnte Josh nirgends das Lodern von Flammen erblicken, und auch der charakteristische Geruch eines Feuers fehlte. Das irritierte ihn. Er sah Menschen, die aufgeregt durcheinanderliefen. Einige von ihnen erkannte er als Saisonarbeiter, die während der großen Schafschur auf Emerald Downs gearbeitet hatten. Doch niemand trug Eimer mit Löschwasser oder schleifteGartenschläuche hinter sich her, und plötzlich erkannte Josh seinen Fehler.
Es gab überhaupt kein Feuer: Die graue Wolke, die sich jetzt langsam auflöste, bestand nicht aus Rauch, sondern aus Staub. Staub, der von der Ruine des Vorratsspeichers aufstieg, denn als mehr konnte man das, was von dem Gebäude noch stand, schwerlich bezeichnen.
Wie ein Zahnstumpf ragte der vordere Giebel in den sich langsam immer dunkler färbenden Abendhimmel. Der hintere Dachstuhl war so gut wie vollständig eingestürzt und hatte alles – Dachsparren, Gebälk und Giebel – mit sich gerissen. Es war ein Bild der Zerstörung, und das spiegelte sich auch in den Gesichtern der Menschen – Frauen, Kinder und Männer – wider, in denen eine Mischung aus Schock und Entsetzen geschrieben stand. Noch schien niemand in der Lage zu sein, einen klaren Gedanken zu fassen, und so nahm Josh wie von selbst das Ruder in die Hand.
Er stieg aus und lief auf die erste Person zu, die ihm begegnete – es handelte sich um ein junges Mädchen von höchstens fünfzehn oder sechzehn Jahren mit staubverschmiertem Gesicht. »War jemand im Inneren des Gebäudes, als das Dach eingestürzt ist?«, fragte er hastig.
Sie wirkte im ersten Moment irritiert, angesprochen zu werden, fing sich aber rasch. »Nein«, erwiderte sie und fuhr sich mit dem Handrücken übers Gesicht. »Das heißt, ich glaube nicht. Ganz sicher kann ich es aber nicht sagen. Am besten, Sie fragen meine Mutter, die weiß es bestimmt.«
Erst jetzt fiel ihm auf, wie ähnlich das Mädchen Shelly Makepeace sah. Das musste ihre Tochter sein. Dieselben veilchenblauen Augen wie ihre Mutter. Er glaubte sich zu erinnern, dass sie Kimberly hieß, doch die Frage danach erübrigte sich, als Shelly vom Haus her herbeieilte.
»Kim? Um Himmels willen, Schatz! Geht es dir gut?« Sie umarmte ihre Tochter so inbrünstig, dass diese kaum noch Luft bekam.
»Mom, bitte, du zerdrückst mich ja! Mir geht’s gut, mach dir keine Sorgen. Was ist mit Will? Ist er okay?«
Widerwillig löste Shelly sich von ihr. Sie machte den Eindruck, als wollte sie ihre Tochter am liebsten nie wieder loslassen. »Er war gerade im Haus, als es passiert ist. Emily ist bei ihm, abgesehen von dem Schreck fehlt ihm nichts. Wie sieht es hier draußen aus?« Sie blickte sich um – erst jetzt schien ihr das Ausmaß der Zerstörung wirklich bewusst zu werden. Fassungslos starrte sie die Überreste des Vorratsspeichers an. »Grundgütiger!«
»War jemand da drin, als alles in sich zusammengekracht ist?«, wandte Josh sich nun an sie.
Wie ihre Tochter brauchte auch Shelly einen Augenblick, um auf den Boden der Tatsachen zurückzukehren, hatte sich aber erstaunlich schnell wieder im Griff. »Nein, ich glaube nicht. Ich habe gerade meine Dankesrede
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