Das Geheimnis der Maori-Frau (German Edition)
über das ganze Tal. Längst konnte von geordnetem Rückzug keine Rede mehr sein. Menschen und Tiere ergriffen gleichermaßen die Flucht, jeder kämpften für sich ums nackte Überleben. Die Zustände waren apokalyptisch.
Will, der mit angewinkelten Knien an der Rückwand der frisch renovierten Vorratsscheune lehnte, schloss die Augen. Obwohl er nur ein Foto in einem Buch vor sich sah, beschlich ihn einen Moment lang das Gefühl, den beißenden Gestank des Qualms riechen und das ohrenbetäubende Brüllen der Flammen tatsächlich hören zu können.
Sein Herz fing an zu hämmern.
Was würdest du tun? Denk nach – was wäre die richtige Löschmethode für so ein Feuer?
Doch so sehr er sich auch bemühte, der Lärm der Party, der bis zu ihm auf die Rückseite der Vorratsscheune drang, machte es ihm unmöglich, sich auf das Szenario zu konzentrieren. Dabei spielte die Band gerade Ring of Fire von Johnny Cash – eigentlich ziemlich passend.
Will wandte sich wieder dem Buch zu, das er von seinem Vater zum siebten Geburtstag bekommen hatte. Es ging um reale Brände, vor allem aber über die heldenhaften Feuerwehrleute, die diese besiegt hatten. Er las eigentlich nur Bücher, die irgendwie mit Feuer zu tun hatten. Seine Mom hatte eine Weile versucht, ihn für die Abenteuer von Tom Sawyer oder Harry Potter zu begeistern, doch dafür interessierte er sich ebenso wenig wie für Comics und Computerspiele. Er wollte auch nicht Profifootball- oder Rugbyspieler werden wie die meisten anderen Jungs in seinem Alter. Wills großer Traum war es, eines Tages ein richtiger Firefighter zu werden.Und für gewöhnlich kümmerte es ihn auch nicht, wenn andere ihn deshalb für seltsam hielten. In letzter Zeit allerdings …
An seiner alten Schule in L. A. war er auch eher ein Außenseiter gewesen. Doch dort hatte er wenigstens ein paar Freunde gehabt. So wie Brandon aus dem Physikklub und Todd, das Mathegenie …
Hier in Neuseeland hatte er überhaupt niemanden. Man behandelte ihn wie einen Freak, und inzwischen fühlte er sich selbst auch schon wie einer. Dabei fand er sein neues Zuhause, von diesem Problem einmal abgesehen, wirklich cool. Im Gegensatz zu Kim, die immer noch ihrem alten Leben in L. A. nachtrauerte – in letzter Zeit dank ihres Fohlens Firefly jedoch bereits sehr viel seltener als zuvor –, hatte Will eigentlich vom ersten Augenblick an gewusst, dass er nie wieder aus Aorakau Valley wegwollte. Das einfache Leben auf der Farm, zusammen mit seiner Mutter und Kim und natürlich mit Emily, Hal und Lenny, gefiel ihm wirklich gut. Außer seinem Dad gab es eigentlich überhaupt nichts, weshalb er zurück nach Kalifornien gewollt hätte. Aber selbst das Leben im Paradies konnte verdammt einsam sein, wenn man niemanden zum Reden hatte. Und manchmal wünschte er sich schon, er könnte ein bisschen mehr wie Jason O’Leary sein, der Star des Schul-Rugbyteams, beliebt bei den Jungs und vor allem auch bei den Mädchen von Aorakau Valley.
Seufzend klappte Will sein Buch zu. Vielleicht stimmte es ja, was dieser Typ kürzlich in der Talkshow, die er zusammen mit Emily angesehen hatte, behauptete: Wenn du eine Sache wirklich willst, dann musst du auch bereit sein, etwas dafür zu tun.
Er wusste, dass auf der Feier auch ein paar Leute aus derSchule waren, und er konnte ja wenigstens mal versuchen, mit ihnen warm zu werden. Möglicherweise brauchte es bloß einen kleinen Schubs, und all seine Probleme lösten sich ganz von allein.
So wirklich daran glauben konnte er aber selbst nicht.
Trotzdem stand er auf, um zur Party zurückzukehren, als er eine Gruppe von Jungs auf der kleinen Lichtung entdeckte. Einer von ihnen war Jason O’Leary.
»Das Scheißzeug brennt einfach nicht!«, hörte er Jasons besten Freund Keith Braddock fluchen.
Erst jetzt bemerkte Will den Stoß vertrockneter Äste, den die Drei in der Mitte der Lichtung aufgeschichtet hatten. Er runzelte die Stirn. Wollten sie etwa ein Lagerfeuer entzünden?
Will schüttelte den Kopf. Waren die denn völlig verrückt geworden? Seit über drei Wochen hatte es nicht mehr geregnet, der Boden war völlig ausgetrocknet, ebenso wie sämtliche Büsche und Sträucher im Tal. Unter diesen Bedingungen konnte jeder noch so kleine Funke ausreichen, um eine Katastrophe auszulösen. Offene Feuer waren daher im Augenblick strengstens verboten, und Wills Mom hatte für ihr Barbecue sogar eine Ausnahmegenehmigung besorgen müssen.
Aber dass das, was diese Idioten da machten, echt
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