Das Geheimnis der Maori-Frau (German Edition)
geschlossen. Alles andere hätte auch kaum Sinn gemacht: Fast die gesamte Ortschaft hielt sich heute draußen auf der Makepeace-Farm bei dem großen Barbecue auf, mit dem Shelly sich für die unglaubliche Welle der Hilfsbereitschaft bedanken wollte, die ihr und ihrer Familie in den vergangenen Wochen zuteil geworden war.
Eigentlich war nur eine einzige Person ausdrücklich von ihrer Einladung ausgeschlossen worden. Doch jeder wusste, dass Geraldine Wood sowieso lieber gestorben wäre, als mit den Makepeace’ ihren Einstand im Tal zu feiern. Ihre Abwesenheit tat der Stimmung auf dem Barbecue allerdings keinen Abbruch.
Shelly hatte eine Band organisiert, die Country und Western spielte, was bei den Leuten im Aorakau Valley sehr beliebt war. Es wurde getanzt, gelacht und vor allem viel gegessen und getrunken. Für die Kinder gab es eine Hüpfburg, ein paar Männer hatten einen Rugbyball mitgebracht und warfen sich gegenseitig lange Pässe zu. Es herrschte eine ausgelassene,fröhliche Atmosphäre, und auch Shelly amüsierte sich bestens – zumindest bis zu dem Moment, in dem sie Josh in der Menge der Feiernden erblickte.
Emily, die ihrem Blick gefolgt war, hob eine Braue. »Es gefällt Ihnen nicht, dass er hier ist«, stellte sie nüchtern fest.
»Nein«, entgegnete Shelly. »Ganz und gar nicht. Er ist ein Wood, und schon allein deshalb kann man ihm nicht trauen.«
Seufzend schüttelte Emily den Kopf. »Ich will Ihnen da nicht reinreden, und es geht mich eigentlich auch nichts an.«
»Aber?«
»Aber ich glaube immer noch, dass Sie ihm unrecht tun. Josh und seine Schwester sind nicht wie ihre Mutter. Nur weil Geraldine Ihnen Schwierigkeiten macht, bedeutetet das nicht automatisch, dass Josh auf der Seite seiner Mutter steht.«
»Es ist nett, dass Sie ihn in Schutz nehmen, Emily, aber Sie haben recht: Es geht Sie wirklich nichts an.« Shelly lächelte. »Außerdem habe ich im Moment weiß Gott andere Sorgen als meine wie auch immer geartete Beziehung zu Josh Wood.«
»Und die wären?«
»Zum Beispiel sollte ich mir endlich darüber klar werden, wie ich hier in Aorakau Valley den Lebensunterhalt für mich und meine Kinder bestreiten soll.«
»Vielleicht sollten Sie es hier einfach mit etwas Naheliegendem probieren?«
»Wie meinen Sie das?«
»Ist das wirklich so schwer zu erraten?« Emily zuckte mit den Schultern. »Warum tun Sie nicht einfach das, was Ihre Familie über viele Generationen auf diesem Land getan hat?«
Shelly blinzelte. »Sie meinen … ich soll Schafe züchten?« Fassungslos sah sie die ältere Frau an, die in den vergangenenWochen zu einer Freundin für sie geworden war. »Kommen Sie schon, Emily, das ist doch nicht Ihr Ernst!«
»Und was spricht dagegen? Alles, was Sie brauchen, ist vorhanden. Bis auf die Tiere. Die fehlen Ihnen noch.«
Kurz dachte Shelly über Emilys Worte nach, schüttelte dann aber den Kopf. »Nein, ich glaube, das ist keine besonders gute Idee. Ich habe nicht die blasseste Ahnung von der Schafzucht, wie sollte das also funktionieren?«
»Wenn das Ihre einzige Sorge ist«, entgegnete Emily gelassen, »würde ich es mir an Ihrer Stelle noch einmal in Ruhe durch den Kopf gehen lassen. Unterhalten Sie sich doch einmal mit Hal. Er scheint früher selbst als Schaffarmer gearbeitet zu haben, so gut wie er sich auskennt. Und er steht Ihnen mit seinem Wissen sicher gern zur Seite.«
»Apropos Hal – wo steckt er eigentlich?« Shelly stellte sich auf die Zehenspitzen und blickte sich suchend um. »Haben Sie ihn heute schon gesehen?«
»Nicht mehr, seit die ersten Gäste eingetroffen sind.«
»Dann werde ich ihn mal suchen gehen«, sagte Shelly. »Wie ich ihn kenne, hat er sich von der Feier abgesetzt, um irgendwo ein paar defekte Zäune zu reparieren. Aber heute wird nicht gearbeitet, sondern gefeiert!«
Doch in Wahrheit wollte Shelly ein bisschen allein sein, um in Ruhe nachzudenken. Hatte Emily am Ende vielleicht recht, und die Zukunft ihrer Familie lag in der Schafzucht? So, wie es schon in der Vergangenheit gewesen war? Mit der Hilfe und Unterstützung ihrer neuen Freunde konnte sie es möglicherweise tatsächlich schaffen, aber … wollte sie das überhaupt? Oder würde sie die Entscheidung, sich auf ein so gewagtes Unterfangen eingelassen zu haben, schon nach wenigen Wochen bereuen?
Einer Feuerwalze gleich raste der Brand auf die Siedlung zu. Der Wald glich einem flammenden Inferno. Dichter schwarzer Rauch erfüllte die Luft und legte sich wie ein Leichentuch
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