Das Geheimnis der Maurin
zufrieden zu. Die Zeit des stillen Abwartens war vorüber!
Fünf Tage später waren Cisneros’ Gefangene wieder auf freiem Fuß – und alle waren sie getauft. Abdarrahman und seine Freunde kochten vor Wut, weil sie sie nicht vorher hatten finden und befreien können. Da Abdarrahman einen der freigelassenen Imame gut kannte, beschloss er, ihm einen Besuch abzustatten. Seine Frau öffnete ihm die Tür, wollte ihn aber nicht vorlassen. »Mein Mann ist krank und braucht viel Ruhe, kommt ein anderes Mal wieder!«
»Ich … ich will ihn ja auch nicht lange stören«, stotterte Abdarrahman und schob zaghaft den Fuß in den Türspalt. »Bitte, es ist wirklich wichtig, dass ich ihn wenigstens ganz kurz spreche!«
Da die Frau noch immer keine Anstalten machte, ihn einzulassen, versuchte Abdarrahman es auf einem anderen Weg. »Sayyidati«, setzte er neu an. »Ihr braucht mir nichts vorzumachen, ich weiß, was Eurem Gemahl widerfahren ist, und wenn wir verhindern wollen, dass Cisneros jetzt immer so weitermacht, müssen wir mehr von ihm erfahren! Bitte, überzeugt ihn, wenigstens mit uns zu reden!«
Unschlüssig ließ die Frau ihre Hand an der Tür auf- und abgleiten, trat schließlich einen Schritt beiseite und winkte ihn seufzend ins Haus. »Oh Gott, er wird schimpfen mit mir, und wie er schimpfen wird«, jammerte sie, »aber vielleicht könnt Ihr ihm ja auch klarmachen, dass er einen Arzt kommen lassen muss!«
Kurz darauf erreichten sie das Schlafzimmer des Imams, und Abdarrahman schnürte es die Kehle zu, als er sah, in welch jämmerlichem Zustand der alte Mann sich befand: Der Bereich um das linke Auge war so dick geschwollen, wie Abdarrahman dies noch nie bei einem Menschen gesehen hatte, die Lippen waren aufgeplatzt, die Stirn voller Schürfwunden, und der Verband, den er um den rechten Arm trug, war durchgeblutet. »Sayyidi, ich … ich bitte, mein Eindringen zu entschuldigen, aber meine Freunde und ich sind sehr besorgt um Euch und über das, was Euch widerfahren ist, und wir wollten mit Euch reden, weil wir hofften, in Zukunft …« Abdarrahman brach ab, denn je länger er den Mann betrachtete, desto klarer wurde ihm, dass es im Moment Wichtigeres gab. »Sayyidi, bitte gestattet mir, einen Arzt zu holen!«
»Auf … keinen Fall!«, stöhnte der alte Mann und warf seiner Gemahlin einen unwilligen Blick zu. »Fatima, ich hatte … hatte dir doch ausdrücklich … aufgetragen, niemanden vorzulassen!«
»Aber du brauchst Hilfe!«, fiel ihm die gescholtene Gemahlin mit Tränen in den Augen ins Wort. »Und da der junge as-Sulami auch sonst ein so gern gesehener Gast bei dir ist, dachte ich …«
Ein ärgerliches Handheben des Imams brachte sie zum Verstummen.
»Sayyidi, scheltet bitte nicht Eure Gemahlin, weil sie mich vorgelassen hat. Ich habe sie so sehr gedrängt, dass ihr gar nichts anderes übrigblieb, aber wir müssen einfach wissen, wie es Euch und den anderen Männern geht, die Cisneros gefangen gehalten hatte!« Vor Verlegenheit sprach Abdarrahman immer schneller. »Ist … ist es denn wahr, was uns zugetragen worden ist? Lässt Cisneros wirklich nur diejenigen wieder frei, die zum christlichen Glauben konvertieren, und wer es nicht freiwillig tut, den … den …«
»Den kriegt … er schon irgendwie klein, wollt Ihr sagen?« Die trüben, fiebrig glänzenden Augen des Imams ertranken in Scham. »Ich wollte mich nicht beugen, ich … wollte widerstehen, aber ich bin zu alt und zu gebrechlich – meine Widerstandskraft … war so schnell aufgebraucht.«
»Aber ich mache Euch doch keinen Vorwurf!«, versicherte Abdarrahman ihm hastig. »Es geht nur darum, dass wir jetzt endlich etwas gegen Cisneros unternehmen müssen!«
Der alte Mann seufzte und schüttelte traurig den Kopf.
»Aber warum wollt Ihr das nicht?«, begehrte Abdarrahman auf. »Die Katholischen Könige haben uns Religionsfreiheit zugesagt, darüber gibt es Verträge! Warum drängt Ihr nicht auf deren Einhaltung? Und seid gewiss, dass Ihr mit der Unterstützung unserer Gruppe rechnen könnt!«
»Ach, Abdarrahman, Verträge …« Die Stimme des Alten wurde noch schleppender. »Habt Ihr … noch nicht gemerkt, dass Cisneros und seine Inquisition … über dem Gesetz stehen?«
»Niemand steht über dem Gesetz. Und deswegen dürft Ihr dies auch nicht auf sich beruhen lassen!«
»Ich kann nicht anders, mein Sohn, ich … bin zu alt … und zu schwer verletzt, um das alles … noch einmal durchzustehen. Ich habe mit mir
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