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Das Geheimnis der Maurin

Das Geheimnis der Maurin

Titel: Das Geheimnis der Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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machte, ihm nachzueilen, packte Taufiq sie am Handgelenk. »Er würde sich ohnehin nicht aufhalten lassen!«
    »Ach, und das zu beurteilen obliegt Euch?« Zahra warf ihm einen wütenden Blick zu und versuchte, ihm den Arm zu entwenden, doch Taufiq ließ sie nicht los.
    »Wollt Ihr Euren Sohn vor seinen Freunden lächerlich machen?« Er lockerte seinen Griff etwas und zog sie zugleich zurück auf ihren Sitzplatz. Widerstrebend folgte Zahra der Bewegung und sah dabei diesen Mann, mit dem sie heute über so viele Stunden um das Leben der Verwundeten gekämpft hatte, zum ersten Mal richtig an. Sein nachtschwarzes Kraushaar war ganz kurz geschoren, sein feingeschwungener Mund wurde von einem gepflegten, kurzen Bart umrahmt, in den tiefbraunen Augen fand sie Verständnis, aber auch Unnachgiebigkeit und, ja, Bitterkeit.
    »Wenn Ihr Kinder hättet, würdet Ihr verstehen, warum ich meinem Sohn hinterhergehen wollte«, zischte Zahra ihn an und entzog ihm mit einem entschlossenen Ruck endgültig den Arm.
    »Wenn ich vor zehn Jahren nicht meinen kämpfenden Landsleuten beigestanden hätte, hätte ich wahrscheinlich noch Kinder und eine Frau«, gab Taufiq tonlos zurück und wandte den Blick ab.
    Zahra zuckte zurück, als hätte er sie geohrfeigt, und in der Tat wäre es ihr lieber gewesen, wenn er es getan hätte. Warum habe ich auch nicht den Mund halten können?, fragte sie sich und schämte sich zutiefst. »Verzeiht, ich … ich wollte keine alten Wunden aufreißen!«
    Taufiq stapelte ihre Teller und stellte sie neben sich auf den Boden. »Schon gut. Ihr konntet ja nicht ahnen …« Er schluckte. »Niemand konnte das ahnen. Während ich unsere verletzten Soldaten verarztet habe, sind die Christen von hinten in unser Haus eingedrungen und … Wir waren damals erst seit zwei Jahren verheiratet; unsere beiden Söhne waren gerade geboren worden.«
    »Oh Gott, wie entsetzlich!«
    Taufiq nickte und sah sie an. »Glaubt mir: Obwohl ich weiß, wie weh es tut, seine Familie zu verlieren, bin ich dafür, dass wir kämpfen. Wir haben keine andere Wahl, wenn wir uns nicht selbst verlieren wollen!« Er rieb sich kurz mit beiden Händen über die Wangen und erhob sich. »Es wird Zeit, dass wir uns um die Verletzten kümmern!«
    Zahra sah ihm nach, fand aber nicht die Kraft, wieder aufzustehen und hineinzugehen.
Wenn wir uns nicht selbst verlieren wollen …
Die Worte klangen in ihr nach, sie spürte deren tiefe Wahrheit. Sie wusste, dass sie an Abdarrahmans Stelle nicht anders gehandelt hätte. Natürlich mussten sie sich gegen die Christen zur Wehr setzen, mussten es für ihr Seelenheil tun. Nur wie und wo sie Jaime in all dem unterbringen sollte, war ihr immer weniger klar. Sie fragte sich, ob er bereits wusste, dass sie noch nicht wieder zu Hause war – oder gar warum. Zubair fiel ihr ein, der sich gewiss schon seit Stunden um sie sorgte. Was würde er Jaime ausrichten, wenn dieser einen Boten schickte, um nach ihr und Abdarrahman zu fragen – und das würde er garantiert tun und gewiss verlangen, dass Zubair sie und Abdarrahman unverzüglich aus der Stadt brachte.
    »Zahra …«
    Taufiq war an die Zimmertür getreten. »Bei mehreren Wunden sind die Verbände durchgeblutet …« Er nickte ihr aufmunternd zu.
    Zahra drängte ihre Fragen und Ängste zurück, erhob sich und folgte ihm. In den nächsten beiden Stunden arbeitete sie mit schweigender Verbissenheit und verbot es sich, an etwas anderes zu denken als an das, was sie tat. Doch obwohl sie sich ganz auf ihre Arbeit konzentrierte, merkte sie, wie ihre Blicke auch immer wieder zu Taufiq wanderten. Sie fand, dass er ein bemerkenswerter Mann war. Als er ihren Blick auffing und erwiderte, sah sie schnell zur Seite, bekam aber trotzdem einen feuerroten Kopf. Sie hoffte, dass er das im schummrigen Licht der Öllampen nicht sah, und ärgerte sich über sich – und darüber, dass sie überhaupt so viel über ihn nachdachte.
     
    Zahra und Abdarrahman kamen erst lange nach Mitternacht nach Hause – und wurden direkt an der Haustür von einem aufgebrachten Zubair empfangen.
    »Um Euren Gemahl nicht zu beunruhigen, hatte ich seinem Boten am Nachmittag ausgerichtet, wir befänden uns schon so gut wie auf dem Weg zur Seidenfarm«, wetterte er los, »und als Ihr nicht nach mir habt schicken lassen, bin ich selbst zu Eurer Patientin gegangen, um zu sehen, wie lange Ihr noch bei ihr bleiben wollt – und was musste ich da feststellen? Dass Ihr schon seit Stunden fort wart! Herrin,

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