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Das Geheimnis der Maurin

Das Geheimnis der Maurin

Titel: Das Geheimnis der Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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werden … Aber wie konnte sie es wagen, mit ihm zu reden, wie sollte sie auf ihn zugehen, wenn er sie so ansah? Wie – nach all dem, was sie in den letzten beiden Tagen getan hatte und was er ihr niemals verzeihen würde?
    Jaime trat einen Schritt auf sie zu und hielt ein Stück Stoff ihres Hidschabs gegen das Licht der Öllampe. »Was sind das für Flecken? Ist … ist das Blut? Von wem stammt das? Bist du verletzt? Oder Abdu?«
    Zahra schüttelte den Kopf und hätte am liebsten die Augen geschlossen und so getan, als sei sie nicht da. Warum konnte man sich nicht einfach in Luft auflösen? Sie wusste, dass sie Jaime antworten musste, aber weder gelang es ihr, ihm die Wahrheit zu gestehen, noch ihm ins Gesicht zu lügen.
    »Zahra, was hast du? Du bist ja völlig verstört! So rede doch endlich!«
    »Ich musste … bei einer sehr … sehr schwierigen Operation helfen«, brachte sie schließlich stotternd hervor und tat so, als untersuche sie ihren Hidschab nach weiteren Flecken. »Mosche … er … er brauchte mich.«
    Zahra sah kurz auf und stellte fest, dass Jaime ihr glaubte. Es schmerzte, dass auch diese Lüge jetzt noch zwischen ihnen stand. Verdammt, sie liebte ihn doch. Warum gab es denn auf einmal keinen Weg mehr für sie, den sie gemeinsam gehen konnten?
    »Und Abdu?«, wollte er wissen. »Ist wenigstens er zurück auf der Seidenfarm?«
    »Maryam und ihr Sohn sind mittlerweile wohlbehalten auf der Farm angekommen.« Jaimes Blick vermeidend, wandte sich Zahra in Richtung Patio.
    »Zahra, was mit Abdarrahman ist, habe ich gefragt!« Jaime eilte ihr nach. »Wo, zum Teufel, ist er?«
    An der Küchentür blieb Zahra stehen, drehte sich aber nicht zu Jaime um. »Abdu ist kein Kind mehr«, sprach sie in den Raum vor ihr. »Er … er tut, was er für seine Pflicht hält.«
    »Willst du damit andeuten, dass du ihm erlaubt hast, in der Stadt zu bleiben?« Jaime riss sie herum. »Zahra, das ist nicht dein Ernst!«
    »Abdu ist aus dem Alter heraus, in dem er sich von mir etwas erlauben oder verbieten lässt«, fiel sie ihm ins Wort und schluckte den zweiten Teil des Satzes – »Und du warst ja nicht da, um dafür zu sorgen, dass er zurückkehrt!« – im letzten Moment herunter, zumal ihr klar war, wie ungerecht ein solcher Vorwurf gewesen wäre – und wie sinnlos. Denn auch von Jaime hätte ihr Sohn sich nicht aufhalten lassen. Genau wie auch sie nicht …
    »Soll das etwa heißen, Abdu ist da draußen bei diesen … diesen Verrückten?«
    »Das kommt darauf an, wen du als verrückt bezeichnest«, gab Zahra zurück und erzürnte sich dermaßen über Jaimes Ausdruck, dass sie seinem Blick nun doch standzuhalten vermochte. »Wenn du von Cisneros und seinen Anhängern sprichst, die uns in ihrem Glaubenswahn beständig neu attackieren, kann ich dich beruhigen: Nein, bei diesen ›Verrückten‹ ist Abdarrahman allerdings nicht!«
    »Tu nicht so, als hättest du nicht genau verstanden, wovon ich rede. Und Cisneros ist nicht verrückt, sondern er erfüllt lediglich seine Aufgabe – weit schärfer, als erwartet und als ich gutheißen kann, ja, aber damit werden wir leben müssen.«
    »Sagst du. Als Christ. Und dazu als ein Christ, der allmählich jede Objektivität verliert! Verdammt, Jaime, siehst du denn wirklich nicht, welches Höllenfeuer dieser Mann entfacht hat?«
    »Das heißt also, dass Abdu in der Tat bei den Aufständischen ist?« Jaimes grüne Augen sprühten vor Zorn. »Zahra, jetzt rede endlich! Siehst du denn nicht, was in der Stadt los ist? Verdammt, wo ist unser Sohn?«
    »Natürlich sehe ich, was in der Stadt los ist, aber welche andere Möglichkeit als diesen Aufstand hatten wir denn? Unsere Eingaben an die Könige sind alle ignoriert worden! Außerdem verstößt Cisneros gegen sämtliche Vereinbarungen, die Boabdil und die Katholischen Könige unterzeichnet haben: Seine Männer dringen in unsere Häuser ein, sie lassen uns unseren Glauben nicht mehr frei ausüben, sie verbrennen unsere Bücher, sie stehlen unsere Kinder, sie …«
    »Ich will wissen, wo Abdu ist!«, fiel Jaime ihr ins Wort. Seine Stimme zitterte. »Wo, Zahra,
wo

    Statt ihm zu antworten, ging Zahra in die Küche. An der Wand hing eine Stofftasche mit einem Laib Brot. Sie holte es heraus und schnitt sich eine Scheibe ab. Sie brauchte Zeit, um ihrer Gefühle Herr zu werden. Sie konnte sich nur allzu gut in Jaime hineinversetzen, und sie hätte nicht mit ihm tauschen mögen. Ganz gewiss liebte er ihre drei Kinder ebenso

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