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Das Geheimnis der Maurin

Das Geheimnis der Maurin

Titel: Das Geheimnis der Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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wie sie. Während sie zu den Söhnen eine engere Beziehung hatte, stand er Chalida näher, aber insgesamt, das wusste sie, würde er sich für jedes seiner Kinder die Hand abhacken lassen, wenn es nötig wäre. Erst in diesem Moment wurde Zahra bewusst, wie tief es Jaime tatsächlich treffen würde, wenn er erführe, dass sein Sohn nicht nur mit ganzer Seele für die Aufständischen war, sondern er darüber hinaus auch noch eigenhändig mit dem Schwert für ihre Sache eintrat, er also mit Fleisch und Blut auf der Seite von Jaimes Feinden stand – denn als nichts anderes konnte Jaime die Muslime jetzt sehen, da er für Talaveras Schutz verantwortlich war. Zahra stellte sich vor, wie sie reagieren würde, wenn Chalida sich je auf die Seite der Christen schlagen oder sich taufen lassen würde … Mit einem Mal wurde ihr schwindlig. Sie lehnte sich gegen die Wand, das Brot glitt ihr aus der Hand. Tastend fuhr sie sich über die Stirn und fragte sich, wohin das alles führen sollte. Sie waren doch eine Familie. Sie waren doch
eine
Familie!
    »Du kannst dich beruhigen: Abdu ist nicht bei den Aufständischen«, presste sie schließlich hervor und strich sich über die Augen. Sie zwang sich, tief durchzuatmen, und ging an Jaime vorbei durch den Patio nach oben. Sie musste sich waschen und umziehen, endlich dieses Blut loswerden, das ihr auf einmal heiß und stechend direkt auf der Haut zu kleben schien.
    Jaime folgte ihr. Noch bevor Zahra den Fuß auf die erste Treppenstufe gesetzt hatte, legte er die Hand aufs Treppengeländer und verstellte ihr den Weg. »Und wo soll Abdu sonst sein?«
    »Er wollte in die Moschee, zum Abendgebet, und danach bei Musheer essen und vielleicht bei ihm übernachten«, log Zahra. »Soweit ich weiß, hat er heute tagsüber geholfen, die Verwundeten zu versorgen. Auch wenn er erst am Beginn seines Studiums steht, konnte er sicher schon die eine oder andere hilfreiche Handreichung machen.«
    »Und du bist sicher, dass er sonst nichts mit den Aufständischen zu tun hat? Ganz sicher?« Jaime sah sie eindringlich an. Zahra nickte, eine Spur zu hastig vielleicht, und Jaimes Blick konnte sie nicht standhalten, aber er schien es nicht zu bemerken, vielleicht nicht bemerken zu wollen. Seine Hand sank schlaff vom Geländer. Zahra nutzte die Gelegenheit, schlängelte sich an ihm vorbei und lief die Treppe nach oben. In ihrem Zimmer betete sie ein inständiges
du’a,
dass Jaime schon wieder auf dem Weg zur Alhambra sein möge, ehe Abdarrahman nach Hause kam. Sie wusste, dass eine Konfrontation auf Dauer unvermeidbar war, aber wenigstens wollte sie sie hinauszögern, und ihr war dabei sehr wohl bewusst, dass sie dies nicht zuletzt um ihretwillen wollte – weil sie sich so noch länger der Illusion hingeben konnte, dass in ihrer Familie doch eigentlich gar nichts passiert war und sicher bald alles wieder in Ordnung käme. »Inschallah.« So Gott will.

VI.
    Granada
22 . Februar 1500
    D ie blassgelbe Sonne quälte sich zwischen den tief hängenden Wolken hervor und tauchte die Stadt in ein kränkliches Licht. Während des Berichts des Palastwachenkommandanten marschierte Cisneros übellaunig in seinem Empfangszimmer auf und ab und brachte den untersetzten Mann schließlich mit einer herrischen Handbewegung zum Schweigen. »Raubt mir nicht weiter die Zeit mit Eurem Geschwätz, sondern unternehmt lieber endlich etwas gegen diese Teufelsbrut!«
    »Unternehmen? Und wie stellt Ihr Euch das vor? Die Mauren haben den Platz vor dem Palast geradezu überschwemmt! Schon gestern habe ich Euch gewarnt, dass es nicht bei den Straßenschlachten bleiben wird, und jetzt seht Ihr es: Keine Maus passt mehr auf den Platz! Der Aufstand breitet sich aus wie ein Lauffeuer, und deswegen sage ich Euch noch einmal: Ihr müsst den Palast auf der Stelle durch die unterirdischen Gänge verlassen! Noch schreien und pöbeln die Menschen nur, aber wenn sie nicht bekommen, was sie wollen, werden sie den Palast stürmen. Und dass meine Truppe gegen diese rachsüchtige Meute keine Chance hat, liegt wohl auf der Hand!«
    Cisneros näherte sich dem Fenster und spähte hinunter auf die wütende Menge, wobei er sorgsam darauf achtete, dass er von unten nicht gesehen werden konnte. »Was brüllt dieser vom Satan besessene Mob da eigentlich? Versteht dieses Kauderwelsch denn niemand?«
    »Unser Übersetzer sagt, sie fordern die Freilassung der Inhaftierten, dieses Assads …«
    Cisneros unterbrach ihn mit einem unwirschen »Ph!« und nahm

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