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Das Geheimnis der Maurin

Das Geheimnis der Maurin

Titel: Das Geheimnis der Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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seine Wanderung wieder auf. In unregelmäßigen Abständen zog er seine buschigen Augenbrauen zusammen, wodurch die extrem lange Vogelnase in dem hageren Gesicht noch stärker hervorzutreten schien.
    »Excelencia, ich flehe Euch an: Lasst mich Euch in die Alhambra bringen!«
    »Ein treu ergebener Diener des einzigen und wahren dreifaltigen Gottes muss sich nicht vor den Laufburschen der Sekte Mahomas fürchten! Gott wird seine schützenden Hände über uns halten!«
    Der Kommandant schnaufte durch die Nase. »Bei allem Respekt vor Eurem Vertrauen in den Allmächtigen, Excelencia, aber wenn diese tollwütigen Massen da draußen den Palast stürmen …«
    »Wie oft muss ich Euch noch erklären, dass ein Inquisitor der katholischen Kirche nicht vor den Anhängern einer Teufelssekte davonläuft!«, fiel Cisneros ihm zornig ins Wort und ballte die Hand so fest um seinen Gehstock, dass die Knöchel seiner Finger weiß hervortraten. »Und wenn Ihr nicht in der Lage seid, da unten für Ruhe zu sorgen, dann werde ich das jetzt eben selbst tun! Geht mir aus dem Weg und lasst mich diesen gottlosen Anhängern der Sekte Mahomas verkünden, was ich zu sagen habe!«
     
    Während der Kommandant der Palastwachen, Cisneros’ Leibwächter und seine Berater alles taten, um den Inquisitor von diesem Schritt abzuhalten, der ihrer Ansicht nach zur endgültigen Eskalation führen würde, kochte auf dem Platz die Stimmung im Volk auch ohne Cisneros’ Zutun weiter hoch.
    »Verräter!«
    »Kinderdieb!«
    »Mörder!«
    »Freiheit für Jamaal, Assad und die Faqihs!«
    Da sich der Inquisitor trotz der nachhaltigen Rufe nicht zeigte und auch sonst niemand auf ihr Begehren reagierte, warfen sich die dem Palast am nächsten stehenden Mauren immer wütender gegen das Tor. Abdarrahman und Musheer standen direkt hinter diesen Männern. Während Musheer sie mit heißblütigen Rufen anfeuerte und zwischendurch immer wieder den Namen seines Bruders brüllte, zerrte Abdarrahman ihn mehrmals an seiner Tunika zurück, um ihn dazu zu bewegen, den Platz zu verlassen.
    »Das gibt hier ein Blutbad«, brüllte er seinem Freund zu und stieß verärgert einen Mann zurück, der ihn noch weiter zum Tor zu schieben versuchte. »Ein Blutbad, das niemandem etwas bringen wird – und schon gar nicht die Freiheit für Jamaal! Musheer, bitte, wir müssen verschwinden!«
    »Mich kriegt hier niemand weg, ehe Jamaal, Assad und die Faqihs nicht frei sind. Niemand!« Und wieder feuerte Musheer die Männer am Tor an. »Na los, fester, fester! Verdammt, wo bleibt denn die Brechstange?«
    Im gleichen Moment wurde ein Rammbock über ihre Köpfe hinweg zum Tor gereicht. Abdarrahman packte Musheer an der Schulter. »Das bringt doch nichts!«
    »Wir müssen den Christen endlich zeigen, dass wir nicht länger alles mit uns machen lassen!«, schrie ihn der Freund mit leidenschaftlich aufglühenden Augen an und entzog sich seinem Griff. »Jetzt oder nie, Abdu, das ist unsere Stunde! Jamaals Gefangennahme – das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte!«
    Mit einem flauen Gefühl in der Magengrube sah sich Abdarrahman um. Hunderte von Menschen drängten sich dicht an dicht hinter und neben ihnen, alle schoben und drückten, brüllten und drohten, und er fragte sich, wie Musheer und er jemals wieder aus diesem tobenden Pulk herauskommen sollten. Auch der Blick nach vorn zum Tor konnte ihn nicht beruhigen. Es lag auf der Hand, dass sie, wenn sie das Tor wirklich aufbrechen konnten, von einer großen Truppe Wachen erwartet werden würden, die zwar vielleicht in der Minderzahl, aber gewiss besser ausgerüstet waren als sie. Abdarrahman gefror das Blut in den Adern. Er dachte an den Toten vom ersten Tag, der ihm nicht nur nachts mit seiner durchgeschnittenen Kehle und den brechenden Augen erschien …
    »Das ist der falsche Weg, Musheer, und wenn diese Meute hier Cisneros meuchelt, werden Jamaal und Assad dafür bezahlen müssen!«
    »Umgekehrt: Wir werden meinen Bruder nie da rausholen, wenn wir nicht Cisneros als Druckmittel in der Hand haben. Aber wenn du Angst hast, dann hau doch ab!«, zischte Musheer zurück und versuchte zugleich, noch näher an das Tor heranzukommen, um den Männern mit dem Rammbock zu helfen.
    Angst. Das Wort traf Abdarrahman wie eine Ohrfeige. Blut schoss ihm in den Kopf, und er hatte das Gefühl, dass die Männer um ihn herum voller Verachtung von ihm abrückten. Dann bemerkte er inmitten des Tobens, Schreiens und Wogens noch etwas anderes:

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