Das Geheimnis der Maurin
hatte, dass sie ohnehin nichts gegen diese Schwangerschaft ausrichten konnte, kam allmählich doch noch Freude in ihr auf, und sie redete endlich mit Jaime. Genau wie sie war auch er erst einmal vor allem verblüfft, doch schon nach dem nächsten Atemzug grinste er breit. »Nun, warum eigentlich nicht? Sooo alt sind wir ja auch noch nicht«, brummelte er, umschlang betont schwungvoll Zahras Hüften und fasste sich sogleich mit spaßeshalber schmerzverzerrtem Gesicht an den Rücken.
Lachend schmiegte sich Zahra an ihn. »Willst du es diesmal den Kindern sagen?«
»Nein, das überlasse ich traditionsgemäß dir, allerdings …« Sein Grinsen wurde noch breiter. »Allerdings würde ich ihnen dafür gern etwas anderes verkünden, nämlich, dass ihre Eltern jetzt endlich heiraten!«
Zahra schüttelte den Kopf. »Vergiss es. Das haben wir schon oft genug diskutiert.«
Schlagartig wurde Jaime ernst. »Zahra, ich bitte dich: Du wirst doch nicht allen Ernstes auch dieses Kind noch unverheiratet in die Welt setzen wollen? Immerhin reicht es völlig, wenn du nur zum Schein zum christlichen Glauben übertrittst!«
»Das … das sagst du jetzt nicht im Ernst, oder?«, fragte Zahra mit belegter Stimme, doch Jaime nickte. Zahra machte sich von ihm frei. Klebrige Enttäuschung kroch ihr in den Hals und machte ihr das Atmen schwer. Ungläubig strich sie ihr Haar zurück.
»Mein Gott, Zahra, jetzt guck doch nicht so! Ich will doch lediglich, dass dem Kind und dir nichts passieren kann!«
»Genau das würde es aber!«, fuhr sie ihn an. »Denn natürlich würde ich unser Kind trotzdem im muslimischen Glauben großziehen, und das würde irgendwann jemandem auffallen. Und dann würden sie uns das Kind wegnehmen – wie sie auch den Renegados alle Kinder weggenommen haben, derer sie habhaft werden konnten!«
»Nicht, wenn wir auch das Kind zum Schein taufen lassen!«
»Zum Schein, zum Schein!« Zahra wich einen weiteren Schritt zurück. »Hast du in all den Jahren so wenig von mir und meiner Religion begriffen? Was hilft denn das bisschen vermeintliche Sicherheit auf Erden, wenn ich mir damit Allahs Unwillen und die ewige Verdammnis zuziehe? Was, Jaime, was?«
»Aber …«
»Nein, Jaime, kein Aber!« Zahra sah ihn eindringlich an und verließ rasch den Raum, ehe sie Dinge sagen konnte, die ihr später leidtun würden.
Während sich Zahras Bauch rundete, gerieten die Aufständischen immer mehr in Bedrängnis. Vor allem in den Alpujarras eroberten die Christen einen Ort nach dem anderen zurück, richteten die Anführer, derer sie habhaft werden konnten, auf der Stelle hin und steckten ihre Anhänger in den Kerker. In der Region von Purchena flammten die Kämpfe trotzdem immer wieder auf; der Nachfluss von kampfbereiten Mauren aus anderen Landesteilen schien endlos zu sein, nicht zuletzt, weil die Wut durch die Nachricht, dass die Katholischen Könige die zurückgebliebenen Frauen, Kinder und Alten zur Taufe zwangen, immer wieder neu angefacht wurde.
Trotz des tapferen Widerstands der Mauren wurde im April 1501 die letzte Bastion ihres Aufstands niedergeschlagen. Allen Beteiligten war klar, dass die Aufrührer diesmal nicht mehr mit Geldbußen davonkommen würden. Abend für Abend rückten die as-Sulamis näher zusammen und lauschten mit bleichen Gesichtern den Schreckensnachrichten, die Raschid und Jaime von Granada mit nach Hause brachten. Zusätzlich drückte ihnen das fürs Frühjahr ungewöhnlich schwülheiße Wetter aufs Gemüt. An diesem Tag hatte die Sonne erbarmungslos auf die Vega niedergebrannt, so dass das Haus einem Brutkasten glich und die Familie auf der Suche nach einem Windhauch in den großen Patio floh – ohne ihn dort zu finden. Während sie auf Raschid und Jaime warteten, konnte sich Zahra des Eindrucks nicht erwehren, dass sich nicht nur die Christen, sondern auch das Wetter gegen sie verschworen hatte: Es war, als wolle es ihnen mit dieser Gluthitze einen Vorgeschmack auf die Scheiterhaufen der Christen geben.
Endlich kamen Jaime und Raschid nach Hause; beiden stand der Schweiß auf der Stirn, und ihre Mienen waren erschöpft und hoffnungslos. Jaime kippte den Becher Minztee herunter, den Zahra ihm reichte, und bat Raschid, das Wort zu ergreifen. Auch dieser trank erst einen Becher Minztee und räusperte sich dann umständlich.
»Es … es tut mir leid«, setzte er an, »dass ich euch keine besseren Nachrichten übermitteln kann, aber trotz Talaveras Einwirken besteht der Conde de Tendilla
Weitere Kostenlose Bücher