Das Geheimnis der Maurin
diese danach auf Maurisch, das Reden vor dem Inquisitor allein ihr zu überlassen. Sie wusste nicht, ob ihre Worte überhaupt bis zu Chalida vordrangen: In ihren Augen jedenfalls stand nur blankes Entsetzen.
In der Kammer, in die der Büttel sie im oberen Stockwerk stieß, erwarteten sie der Inquisitor, sein kahlköpfiger Beisitzer und ein knochiger Schreiberling. Hochgewachsen, mit steinernem, bleichem Gesicht saß der Herr über Leben und Tod in der Mitte eines langen Tisches. Die Vorhänge der zwei Fenster hinter ihm waren zugezogen, so dass die beiden fünfarmigen Kerzenleuchter, die hinter dem Tisch auf nahezu mannshohen Säulen standen, die einzige Lichtquelle waren. Bei jeder Bewegung des Inquisitors warfen sie züngelnde Schatten in den Raum, als lechzten wahrhaftige Teufelsfratzen nach ihnen. Zahra wich unwillkürlich zurück – woraufhin sie von dem neben ihr stehenden Büttel einen so harten Schlag gegen die Rippen erhielt, dass ihr im ersten Moment die Luft wegblieb. Als ihr gleich darauf eine kalte, seltsam metallen klingende Stimme entgegenhallte, zuckte sie erneut zusammen.
»Was dein Name ist, habe ich gefragt!«, herrschte der Schreiber sie noch einmal an.
»Zahra as-Sulami.« Zahra strich sich beklommen über den Hals und zerrte Chalida mit ihrer anderen Hand hinter sich.
»Und die andere? Na los, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!«
»Aber meine Tochter … sie ist doch nur …«
Ein zweiter harter Schlag gegen ihre Rippen ließ Zahra abrupt abbrechen. »Chalida«, brachte sie danach erstickt hervor. »Chalida as-Sulami.«
Er notierte sich auch diesen Namen und sah zum Inquisitor, der jetzt ein eigenartig mildes Gesicht aufsetzte und zu Zahra hin eine einladende Geste machte. »Nun kannst du sprechen, mein Kind!«
»Aber … aber was soll ich denn sagen?«, stammelte Zahra.
»Das, was du zu gestehen hast, natürlich.«
»Wieso gestehen? Ich … Was genau wirft man mir denn vor?«
Der kahlköpfige Beisitzer beugte sich vor. »Das weiß niemand besser als du, aber hier kannst du dein Gewissen erleichtern, mein Kind. Wir haben dich hergeholt, damit du deine Schuld bekennen kannst. Nur dann wird Gott dir vergeben!«
»Aber …« Zahra verstummte, versuchte wieder, einen Schritt zurückzuweichen, woraufhin der Büttel ihr einen neuen Hieb versetzte.
»Vielleicht will ja deine Tochter reden«, wandte sich nun der Inquisitor an Chalida und winkte ihr zu, hinter ihrer Mutter vorzutreten. »Befrage dein Gewissen, meine Tochter, und gestehe uns die Wahrheit, vertrau dich der Gnade des Tribunals an! Nur so wird dir und deiner Mutter die Folter erspart bleiben!«
»Ich …« Chalida versuchte, an ihrer Mutter vorbei nach vorn zu treten, aber Zahra riss sie sofort zurück und zischte ihr auf Maurisch zu, dass sie schweigen solle. »Lasst meine Tochter gehen, ich flehe Euch an, dann will ich Euch auch gern gestehen, was immer Ihr hören wollt! Sie hat nichts getan, das ist alles nur ein Missverständnis. Sie ist eine gute Christin!«
Der Inquisitor seufzte. »Es ist der Teufel, der euch so verstockt macht, aber bisher haben wir noch alle zum Reden gebracht!« Er nickte dem Büttel zu. »Bring sie zurück in die Zelle. Wir haben Zeit, viel Zeit. Und wenn die beiden mit ihrem Gewissen Rücksprache gehalten haben, sollen sie es uns mitteilen, damit wir sie weiter befragen können.«
»Aber … aber Ihr könnt uns jetzt doch nicht einfach immer weiter einsperren«, begehrte Zahra auf. »Meine Tochter ist unschuldig, sie besucht jeden Sonntag die Messe und …«
Der Büttel packte sie am Oberarm und stieß sie nach draußen, und als Zahra noch immer weiterredete, schlug er ihr so fest auf den Mund, dass ihre Lippe aufplatzte.
»Mutter!«, schluchzte Chalida und schob sich vor sie, damit der Büttel ihre Mutter nicht noch einmal schlagen konnte, woraufhin der nächste Hieb sie selbst traf.
Im Kerker verzog sich Zahra wortlos auf ihren alten Platz und drückte den Handrücken auf die Lippen, um die Blutung zu stillen. Chalida hockte sich mit angezogenen Beinen neben sie und weinte so sehr, dass ihr ganzer Körper von Schluchzern geschüttelt wurde.
»Es … aber es ist doch nichts weiter passiert, mein Kind, ich … es ist ja nichts, es tut mir nur leid, dass du meinetwegen jetzt mit eingesperrt bist!«
»Wegen Euch?« Chalida entfuhr ein jämmerlicher Klagelaut. »Aber nein, ich, ich allein bin an allem schuld! Nur weil ich …«
Zahra drückte ihr den Arm. »Rede dir keinen
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