Das Geheimnis der Maurin
erklärt, was geschehen würde, wenn ich zum Christentum überträte: Unsere Gerichte würden mich zum Tode verurteilen, und im Jenseits würde ich in der Hölle schmoren!«
»Das ist allerdings wahr«, bekräftigte Raschid ihre Worte.
Jaime sah von einem zum anderen, doch statt etwas zu erwidern oder gar darauf hinzuweisen, dass auch seine Religion Konversionen verbot, erhob er sich und meinte mit frostiger Stimme, dass er müde sei und schlafen gehen wolle. Raschid nickte ihm zu, Zahra sah schweigend beiseite. Als Jaime gegangen war, erhob sich auch Deborah. »Ich will noch einmal nach den Kindern sehen. Yaqub hatte leichtes Fieber.«
Zainab schloss sich ihr an.
Zahra sah ihnen nach und fragte sich, ob sie außer Jaime auch die beiden vertrieben hatte. Sie war froh, dass nicht auch noch Raschid Anstalten machte, sie zu verlassen. Als sich die Tür hinter den anderen geschlossen hatte, wurde seine Miene allerdings so ernst, dass sie schlucken musste.
»Bei all meinem Verständnis für deine Lage, Zahra – du darfst deine Wut auf die neuen Verhältnisse nicht an Jaime auslassen! Er hat sie schließlich nicht geschaffen, im Gegenteil!«
»Fängst du jetzt auch noch damit an?« Ungehalten zerrte Zahra ihr Umschlagtuch über der Brust zusammen. »Und ich dachte, wenigstens du stündest auf meiner Seite. Aber wer weiß, vielleicht bist du ja insgeheim sogar selbst dafür, dass ich mich taufe lasse, weil dein Talavera das auch gern sähe!«
»Rede keinen Unsinn! Auch Jaime verlangt das nicht von dir, und das weißt du. Außerdem bin ich ebenso wie du der Meinung, dass er zum Islam übertreten sollte.«
Zahra machte eine Geste der Hilflosigkeit. »Und trotzdem hat ihm niemand von uns je zugesetzt, dass er muslimisch werden soll – und das, obwohl er mich in eine höchst unangenehme Lage bringt, da er es nicht tut!«
»Niemand hat dich gezwungen, dich mit ihm einzulassen!«
»Danke, Bruder, danke! Wenn du mich jetzt nicht daran erinnert hättest, hätte ich es fast vergessen.« Zahra erhob sich abrupt, beruhigte sich dann aber und wandte sich um. »Lass uns nicht streiten. Außerdem wollte ich schon länger über etwas anderes mit dir reden. Ich finde nämlich, es ist Zeit, dass Abdarrahman in die Koranschule kommt. Immerhin ist er schon sechs.«
»Erst sechs, Zahra, erst!« Raschid griff nach einem neuen Küchlein und sah Zahra unschlüssig an. »Warum willst du wirklich, dass der Junge jetzt in die Koranschule kommt? Ich hoffe nicht, dass es dir vor allem darum geht, Jaime eins auszuwischen?«
»Natürlich nicht! Alle Freunde Abdus gehen in die Koranschule, und auch du hast deinen Ältesten mit sechs dort angemeldet. Außerdem hat Abdarrahman mich selbst darum gebeten – gerade wegen deinem Yaqub übrigens«, gab Zahra gereizt zurück.
Raschid hob die Hände. »Ist ja schon gut, Schwesterherz. Kein Grund, mir gleich die Augen auszukratzen!«
»Heißt das, du kümmerst dich darum?«
Raschid wiegte den Kopf. »Zahra, ich … Versteh mich nicht falsch, aber das, was Jaime eben zum Thema Religion gesagt hat, klang nicht danach, als wollte auch er, dass Abdu in die Koranschule geht. Für den Frieden in der Familie wäre es sicher besser, du würdest erst einmal mit ihm darüber reden. Jaime vor vollendete Tatsachen zu stellen, wird ihn gewiss gegen die Koranschule aufbringen!«
»Aber es versteht sich doch von selbst, dass Abdu früher oder später in die Koranschule geht! Außerdem hatte Jaime auch nichts dagegen, dass Abdu beschnitten wurde, und auch Yayah ist beschnitten!«
»Sicher, aber euer Verhältnis ist derzeit ohnehin angespannt. Willst du da noch Öl ins Feuer gießen?«
»Ach, und damit Jaime nicht wütend wird, belassen wir es dabei? Oder wir bringen Abdu überhaupt gleich zur Kirche, damit Jaime ihn dort taufen lassen kann, ja, ist es das, was du vorschlägst?« In Zahras Augen traten trotzige Tränen. »Verdammt, ich hasse die Christen, ich hasse sie!«
»Oh Zahra, ich bitte dich, Hass bringt uns nicht weiter!«
»Ach, und was sonst? Liebe und Verständnis? Für diese … diese Ungeheuer, die Menschen – wie jetzt in Ávila – bei lebendigem Leib den Flammen übergeben?« Sie schüttelte heftig den Kopf.
»Ach, Zahra«, seufzte Raschid. »Zahra, Zahra, Zahra! Natürlich hast du recht damit, dass die Inquisition und alles, was damit zusammenhängt, mit nichts zu verteidigen ist, aber vergiss nicht, dass es auch in der Geschichte der Mauren Zeiten gegeben hat, derer wir uns
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