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Das Geheimnis der Maurin

Das Geheimnis der Maurin

Titel: Das Geheimnis der Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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lassen. Beim ersten Mal führte er Barbakan am Stallhalfter, beim zweiten Mal ließ er ihn an der Longe im Hof traben, und als er sicher war, dass Barbakan unter Aaron tatsächlich ebenso brav voranschritt wie unter Chalida, erlaubte er ihm auch, ihn im Feld zu reiten – allerdings nur, wenn er selbst dabei war. Allein mit Barbakan ließ er nur Chalida reiten – was ein weiteres ihrer gut gehüteten Geheimnisse war, denn Jaime war schon lange dahintergekommen, dass der Stallbursche bei Chalida beide Augen zudrückte; nur den Grund dafür kannte er nicht.
    Wer dagegen Aaron immer feindlicher gegenübertrat, war Abdarrahman. Anfangs war er dem Neuankömmling neugierig, dann nur noch gleichgültig gegenübergetreten, weil er ihn nicht zum Reden hatte bringen können, aber seit er Aaron so oft mit Chalida sah, entwickelte er eine regelrechte Antipathie gegen den »verstockten Kerl«, wie er ihn nannte. Er fand es unpassend, gar unschicklich, dass Aaron ständig mit seiner kleinen Schwester zusammensteckte, so unpassend, dass er sich sogar bei seinen Eltern darüber beschwerte, aber die fanden, dass die beiden noch Kinder seien – und Aaron überdies zur Familie gehörte.
    Abdarrahman gab sich hiermit nicht zufrieden, und als Aaron trotz seiner Aufforderung, sich von seiner Schwester fernzuhalten, weiter den lieben langen Tag an ihrer Seite zu finden war, lauerte er ihm im Stall auf. Ihr Kampf war ebenso heftig wie erbittert und ging unentschieden aus: Einer der älteren Stallburschen tunkte die beiden Streithähne kurzerhand in die Pferdetränke – was deren Sympathie füreinander allein deswegen nicht vergrößerte, weil Chalida dieses unrühmliche Ende nicht entging, sie ihren Bruder einen Holzkopf nannte und ihm einen ordentlichen Tritt gegen das Schienbein verpasste, ehe sie Aarons Schürfwunden und seine Platzwunde am Hinterkopf mit ihrem Hidschab reinigte. Abdarrahmans blutige Nase und die aufgeplatzte Augenbraue wurden von Tamu versorgt und brachten ihm zu alledem auch noch eine Ohrfeige von der guten Alten ein. Auch die anderen Erwachsenen schimpften die Jungen wegen ihrer Prügelei aus – in diesem Fall zumindest bekamen beide ihr Fett weg –, ohne jedoch den Grund dafür herauszufinden, da beide Jungen hartnäckig schwiegen. Auch in der Folge hielt sich Aaron nicht von Chalida fern, aber Chalida achtete fortan darauf, dass ihr Bruder weniger von ihrem Zusammensein mitbekam, und die Heimlichkeit ihrer gemeinsamen Stunden vertiefte ihre Freundschaft nur noch mehr.
     
    Am Abend des vierten Oktober 1494 kamen Jaime und Raschid sehr viel später als gewöhnlich nach Hause. Als Zahra sie kommen hörte, ging sie ihnen entgegen und schluckte angesichts ihrer ernsten Mienen.
    »Was ist passiert?«, fragte sie und krampfte unwillkürlich die Hände ineinander.
    »Es …« Jaime kämpfte um Fassung. Erst einen guten Moment später hatte er seine Stimme wieder in der Gewalt. »Der … Infant, Juan … er ist nicht mehr. Ein … ein gottverdammtes Fieber hat ihn einfach so hinweggerafft!«
    Auch wenn Zahra dem kastilischen Königshaus nach wie vor die Pest an den Hals wünschte, machte der Tod des kastilischen Thronfolgers auch sie betroffen, zumal sie sah, wie sehr sein Dahinscheiden Jaime traf.
    »Ich weiß, wie sehr du die Königsfamilie hasst, aber ich … ich kenne ihn, seit er so war!«, fuhr er mit brüchiger Stimme fort und steckte mit den Händen die Länge eines Dreijährigen ab. »Jahr für Jahr habe ich ihn am Hof heranwachsen sehen, und dann erst die Zeit, in der ich über sein Leben gewacht habe!«
    »Natürlich verstehe ich das«, sagte Zahra leise und wollte Jaime umarmen, doch der hob abwehrend die Hand und wandte sich zur Treppe.
    »Ich … ich lege mich eine Weile hin, und sag Tamu, dass sie mein Essen nicht länger warmzuhalten braucht.«
    Es tat Zahra leid, dass er sich in seinem Schmerz von ihr zurückzog; andererseits konnte es sie nicht wundern: Sie hatte nie viel Gutes an dem Thronfolger gelassen. Aber da war er auch ihr Feind gewesen. Jetzt war er nur noch ein toter junger Mann. Bekümmert wandte sie sich an ihren Bruder und musste feststellen, dass auch in seinem Gesicht Trauer und Verstörtheit zu lesen waren.
    »Jaimes Reaktion kann ich ja noch verstehen, aber dass auch du …«, setzte sie an, beendete den Satz dann aber nicht und schüttelte nur kurz den Kopf.
    »Du verkennst den Ernst der Lage, Schwesterherz, Juan wäre nicht der schlechteste Regent für Kastilien

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