Das Geheimnis der Maurin
an!«
»Sicher, aber gemessen an den Umständen, geht es uns gut. Auch wenn du es nicht gern hörst, Zahra: Wenn man durch die Gassen von Granada geht, spürt man, dass die Menschen den Grafen und Talavera lieben und verehren – auch und vielleicht sogar gerade unsere Glaubensbrüder! Die Art und Weise, wie Talavera sich um eine gegenseitige Annäherung bemüht und das oft genug gegen den Widerstand aus den eigenen Reihen, ist beeindruckend!«
»Aber das tut er doch nur, um uns einzuwickeln und uns von unserem Glauben abzubringen!«, begehrte Zahra auf.
»Natürlich will er uns bekehren, aber statt Druck und Gewalt einzusetzen, versucht er, die Menschen zu überzeugen – und gerade weil er dabei so milde vorgeht, hagelt es aus seinen eigenen Reihen nicht eben wenig Kritik, und trotzdem ändert er nichts an seinem Vorgehen! Nein, Zahra, das musst du zugeben: Talavera ist ein durch und durch integrer Mann, der unseren Respekt und unsere Achtung verdient!«
»Und was war mit der Ausweisung der Juden vor fünf Jahren? Oder solltest du vor lauter Bewunderung für deinen Dienstherrn etwa schon vergessen haben, dass deine Frau sich nicht taufen lassen wollte, sondern
musste?
«
»Natürlich habe ich das nicht vergessen, Zahra, was soll das? Aber du weißt auch, dass die Zwangstaufen nicht von Talavera ausgegangen sind, sondern er sich intensiv für die Juden eingesetzt hat, ganz so, wie er sich überhaupt immer für die Menschen hier einsetzt.«
»Na, dann wird er uns ja gewiss bald unsere Eigenständigkeit zurückgeben und die Kastilier zum Teufel jagen!«, spottete Zahra.
»Sag mal, ist dir wirklich nicht klar, wie es in Granada aussähe, wenn wir hier als Erzbischof einen der sogenannten Falken, einen dieser Scharfmacher aus den Reihen der Inquisition hätten?«, erboste sich Raschid. »Talavera dagegen bemüht sich um Nähe zu uns, um Verständnis, um ein Miteinander. Wusstest du, dass er Arabisch lernt? Einmal hat er zu mir gesagt, dass er bereit wäre, eines seiner Augen hinzugeben, wenn er damit nur endlich unsere Sprache richtig beherrschen würde und direkt zu uns predigen und sprechen könnte. In seinem Haus hat er eine Arabischschule für seine Priester eingerichtet, damit auch die unsere Sprache lernen, und eine Grammatik und ein Glossar der arabischen Sprache lässt er ebenfalls in lateinischen Lettern verfassen. Talavera will verstanden werden, und er will, dass seine Priester verstanden werden. Zahra, glaub mir, Talavera schätzt uns, und wie sehr, zeigt eine Bemerkung, die er gerade letzte Woche zu mir gemacht hat: ›Alles, was fehlt, um einen guten Christen zu machen, sind maurische Werke und kastilischer Glaube.‹«
»Das hört sich an, als hätte Talavera zumindest dich schon so gut wie am Taufbecken!«, zischte Zahra. »Aber mich, mich wird er niemals dahin zerren können, und meine Kinder auch nicht!«
»Jetzt verdreh doch nicht alles, Zahra! Nein, natürlich will ich nicht zum christlichen Glauben konvertieren, aber trotzdem achte ich Talaveras Leistungen! Ich will nur, dass du endlich aufhörst, in Menschen wie Talavera deinen Feind zu sehen – und damit mir und Jaime immer wieder zu unterstellen, wir würden für den Feind arbeiten. Talavera ist nicht unser Feind!«
»Sondern was? Vielleicht unser Freund?« Ungehalten warf Zahra ihr volles, langes Haar zurück. »Raschid, du bist Muslim! Du bist – nein: du
warst
Maure! Und was bist du jetzt?«
»Mach Frieden, Zahra, mit Talavera, mit den Christen – und mit dir! Weißt du, wie die Menschen in Granada Talavera nennen? Sie nennen ihn den ›Alfaquí Santo‹, den heiligen Rechtsgelehrten, und für viele Menschen in Granada ist er weit mehr einer von uns als einer von ihnen! Zahra, aus den anderen Teilen Kastiliens hört man weit schlimmere Dinge, wahre Schauergeschichten! Allein, wie die Inquisition dort gegen die Menschen vorgeht … Wir dürfen uns nicht beklagen! Es hätte alles viel schlimmer kommen können.«
»Was aber nicht heißt, dass es dies nicht noch werden kann«, gab Zahra düster zurück – und ahnte nicht, wie sehr sie damit recht behalten sollte.
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Zweiter Teil
Cisneros
1499 bis 1502
I.
Seidenfarm
Oktober 1499
C halida, um alles in der Welt, jetzt nimm doch Vernunft an!« Kopfschüttelnd eilte Zahra ihrer Tochter nach. Sie erwischte sie an der Tür und hielt sie am Handgelenk fest. Chalida fuhr zu ihr herum und machte sich mit einer wütenden Geste frei.
»Ihr seid ungerecht! Ungerecht und
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