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Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Geiges
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niemandem Angst. Nur vor dem Tod und was danach kam. Er hatte die kindliche Vorstellung, dass er selbst noch jede Menge Sünden begehen konnte, Hauptsache, ihm wurde auf dem Totenbett alles vergeben, wenn er bereute. Bereuen wollte er, aber erst, wenn seine Zeit gekommen war. Er wollte nicht auf ewig im Fegefeuer von Dämonen und Teufeln gequält werden wie in seinen Alpträumen und auf den schrecklichen Altarbildern, die er kannte. Seine Mutter hatte ihm als Kind den Horror des Höllenfeuers ausgemalt und diese Vorstellungen hatten sich für immer in seinen Kopf eingebrannt.
    Für die Vergebung brauchte man nun einmal im rechten Augenblick einen Priester, der einen freisprechen konnte. Gero wusste, dass sein Vater eine Menge Sünden auf sich geladen hatte. Und ausgerechnet jetzt, wo er einen Priester gebraucht hätte, hatte man ihn im Stich gelassen.
    Er stützte sich am Türstock ab und hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Erst als seine Mutter ihn von hinten umarmte, beruhigte er sich und fing an, an ihrer Schulter zu schluchzen. Aber er weinte nicht um seinen Vater.
    Er weinte um sich selbst.
    * * *
    Im Refektorium des Klosters Heisterbach waren die Mönche beim Mittagsmahl versammelt. Stumm saßen sie beidseits der langen Eichentafel und löffelten ihre Suppe. Nur das gelegentliche Klappern des Geschirrs war zu hören und die monotone Stimme des jungen Mönchs, der im Hintergrund an einem Pult stand und aus dem Buch Hiob vorlas: »Und siehe, ein starker Wind kam von jenseits der Wüste her und stieß an die vier Ecken des Hauses. Da fiel es auf die jungen Leute, und sie starben. Ich aber bin entkommen, nur ich allein, um es dir zu berichten. Da stand Hiob auf und zerriss sein Obergewand und schor sein Haupt; und er fiel auf die Erde und betete. Und er sagte: Nackt bin ich aus meiner Mutter Leib gekommen, und nackt kehre ich dahin zurück. Der Herr hat gegeben, und der Herr hat genommen, der Name des Herrn sei gepriesen!«
    An der Stirnseite des Tisches, vor dem Kaminfeuer, saß der Erzbischof Konrad von Hochstaden und lauschte den Worten des Vorlesers, die Suppe stand unberührt vor ihm. Das Geschirr wurde von zwei Laienbrüdern abgetragen, der Erzbischof schob seinen Teller weg. Niemand sprach ein Wort.
    Jetzt wurde die Hauptmahlzeit aufgetragen, sie bestand aus gekochten Bohnen und Fisch, dazu wurde Brot und Wein gereicht. Der Erzbischof sprach dem Essen nur sparsam zu. Er war ganz in seine Gedanken versunken. Erst als ein Laienbruder zu ihm trat und ihm etwas ins Ohr flüsterte, sah er auf und bemerkte seinen Neffen Gero, der an der Tür wartete. Der Erzbischof wischte sich den Mund mit einem Tuch ab und stand auf. Mit einer Handbewegung deutete er den Mönchen an, dass sie sitzen bleiben und weiteressen sollten, während er auf Gero zuging, der ihm ehrerbietig den Ring küsste und mit ihm das Refektorium verließ.
    Konrad von Hochstaden bekreuzigte sich und flüsterte: »Gott sei deiner armen Seele gnädig, Bruder Lothar.«
    Er stand im Schatten des Kreuzgangs und sah in den hellen Innenhof hinaus, wo die akkurat geschnittenen Hecken im warmen Sonnenlicht badeten. Wie friedlich das Wasser im Brunnen plätscherte. Ein paar Spatzen stritten sich um die Brotkrumen, die der Erzbischof ihnen auf den sorgfältig geharkten Kiesweg hinwarf, der den Innenhof durchkreuzte.
    Sein Neffe hatte ihm vom Ableben seines Bruders erzählt und von einer unheimlichen Begegnung in den Gemächern des Grafen von Landskron. Nun wartete Gero geduldig im Hintergrund auf eine Reaktion und die Befehle seines Onkels.
    Der Erzbischof wischte seine Hände ab und wandte sich an seinen Neffen. »Ich persönlich werde meinen Bruder auf seinem letzten Gang begleiten und die Totenmesse lesen. Richte das bitte deiner Mutter aus.«
    Gero verneigte sich.
    Der Erzbischof senkte seine Stimme. »Was diese Hexe betrifft … da ist kein Irrtum möglich?«
    »Nein, Eure Eminenz. Es muss dieser Bruder Marian sein, ich habe mich selbst davon überzeugt.« Gero deutete den Abstand mit der Hand an. »Sein oder besser ihr Gesicht war vielleicht eine Elle von meinem entfernt. Ich habe ihr direkt in die Augen gesehen. Braun und grün, so etwas gibt es kein zweites Mal.«
    Der Erzbischof nickte gedankenschwer. »Dafür muss es eine Erklärung geben. Du selbst hast doch gesehen, wie Bruder Marian ertrunken ist.«
    »So wahr ich vor Euch stehe, Eminenz.«
    »Dann ist sie eine Hexe, und wir müssen ihr das Handwerk legen. Wir werden mit aller

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