Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)
ein?«
»Darf ich es mir überlegen?«
»Tut das.«
Er nickte, ging hinaus und den Gang entlang bis zur Küche, wo er seine Tasche an sich nahm und sich zur Tür wandte. Nach zwei Schritten blieb er wieder stehen und drehte sich zu Anna um, die sich abwartend an den Türrahmen zum Behandlungszimmer gelehnt hatte. Er ließ seine Tasche fallen und breitete die Arme in einer hilflosen Geste weit aus.
»Wisst Ihr was? Ich bin ein schwachsinniger Dummkopf. Das liegt vielleicht an den Nachwirkungen Eures Schlafschwamms. Aber ein solches Angebot kann man gar nicht ausschlagen. Nicht in meiner Lage und auch ganz grundsätzlich. Ich brauche nicht zu überlegen. Ich bleibe gleich hier. Wo kann ich meine Sachen unterbringen?«
Anna sah ihn lange an. Dann lächelte sie, löste sich vom Türrahmen und winkte ihm. »Kommt mit, ich zeige Euch Eure Schlafstube.«
Sie ging voraus.
Er rief ihr nach: »Aber ich bin ein streitbarer Mensch. Mit mir ist nicht immer gut Kirschen essen!«
Anna drehte sich nicht um, als sie antwortete: »Na, das passt ja. Ich bin genauso. Dann ist wenigstens Leben im Haus.«
VI
A ls Gero und Lutz drei Tage später nach einem anstrengenden Ritt staubig, erschöpft und hungrig auf Burg Hochstaden ankamen, wurde Gero von seiner Mutter erwartet. Sie umarmte ihn wortlos und führte ihn in das Schlafgemach, wo Lothar von Hochstaden still auf seinem Bett lag.
»Er kann nur noch unverständlich sprechen«, warnte ihn seine Mutter vor. »Ich weiß nicht, ob er dich noch erkennt.«
Gero stellte sich neben das Bett und sah seinen Vater an. Lothar von Hochstaden rang mühsam nach Luft und murmelte Unverständliches. Gero bekam es mit einer unerklärlichen Angst zu tun, und er schämte sich ihrer.
»Was sagt der Feldscher ?«, wollte er von seiner Mutter wissen.
»Er sagt, es ist der Schlagfluss . Er hat ihn schon mehrmals zur Ader gelassen, aber es tritt keine Besserung mehr ein«, antwortete sie.
Gero beugte sich über seinen Vater und versuchte zu verstehen, was dieser murmelte.
»Er will etwas«, sagte er.
Plötzlich und unvermutet packte ihn die Hand des Vaters am Arm. Sie war angesichts der Hinfälligkeit des Sterbenden erstaunlich stark. Gero erschrak zutiefst. Er versuchte, sich von der Hand zu lösen. Aber ohne Gewalt würde ihm das nicht gelingen. Das Keuchen des Vaters wurde stärker, seine Anstrengungen, sich verständlich zu machen, verdoppelten sich. Sein Gesicht war verzerrt, seine Haare wirr und verschwitzt, die Augen suchten irgendwo einen Punkt im Raum, an dem sie sich festhalten konnten, fanden ihn aber nicht.
»Gero …«, brachte der Vater gurgelnd heraus, »Gero …«
Gero beugte sich noch weiter hinunter, um ihn zu verstehen, und spürte den Todeshauch seines Vaters an seinem Ohr.
»Gero, da ist etwas Furchtbares, das du wissen musst. Ich habe große Schuld auf mich geladen. Dein Onkel … sprich mit deinem Onkel. Er weiß es …«, keuchte Lothar von Hochstaden mit größter Mühe. Der Rest war unverständlich, anscheinend hatte sein Vater in einer letzten, übermenschlichen Anstrengung seine Kräfte verbraucht, die er sich für diesen Augenblick aufgespart hatte.
Aber dann röchelte er noch einmal: »Die Hölle … will nicht in die Hölle … will beichten … hol … Priester …«
Auf einmal verstummte er, sein Griff lockerte sich, die Augen blickten starr und seelenlos nach oben.
Gero stand auf.
»Er ist tot«, sagte er leidenschaftslos und drückte seinem Vater die Augen zu. Er wandte sich nach seiner Mutter um, die zur Salzsäule erstarrt war und auf ihren toten Gatten sah.
»War der Priester bei ihm?«, fragte Gero.
Sie antwortete nicht.
Er packte sie, sah ihr in die Augen, schüttelte sie. »Mutter – war der Priester bei meinem Vater? Konnte er beichten?«
Sie löste sich aus ihrer Erstarrung. »Nein«, sagte sie.
»Herr Gott – warum hast du keinen Priester kommen lassen? Warum hat er keine Beichte abgelegt?«, schrie Gero.
»Was regst du dich so auf?«, sagte sie und versuchte, ihn zu beruhigen. »Dein Vater wollte keinen Priester.«
»Natürlich wollte er einen Priester! Ohne Beichte kommt seine Seele in die Hölle! Ich will nicht, dass die Seele meines Vaters in die Hölle kommt! Hast du das verstanden? Wo ist der verdammte Priester? Holt mir den Priester!«, rief er und riss die Tür zum Gang auf. »Holt mir den Priester!«, brüllte er so laut in den Gang hinaus, dass es in der ganzen Burg zu hören war.
Gero hatte vor nichts und
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