Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)
es nach Gutdünken aus und erzählen es weiter. So entstehen in Windeseile Gerüchte, die jeder Wahrheit entbehren.«
»Tun sie das?«
»Eure Eminenz – Ihr wisst, wie das mit den einfachen Leuten ist!«
»Nein, das weiß ich nicht. Meines Wissens besitzen gerade die einfachen Leute den tiefsten und ehrlichsten Glauben an die Wahrheiten der Bibel und die Lehren der allerchristlichsten Kirche. Sie haben ein untrügliches Gespür dafür, wenn sich jemand gegen diese unumstößlichen Wahrheiten und Lehren versündigt. Und das verwirrt sie und lässt sie am wahren Glauben zweifeln. Wie Ihr aber vielleicht wisst, Graf, ist es meine heilige Pflicht, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen und darüber zu wachen, dass niemand durch Hexenwerk und Zauberei es wagt, im Namen Luzifers sein Unwesen zu treiben.«
Der Graf wollte etwas entgegnen, doch der Erzbischof gebot ihm mit einer herrischen Handbewegung zu schweigen und fuhr fort: »Mir ist bekannt, dass besagte Medica Euren besonderen Schutz genießt. Sagt mir – wie ist sie zu diesem Privileg gekommen?«
»Sie hat es sich ehrlich verdient, und in ihren Heilkünsten ist nichts, was den Lehren der Kirche widersprechen würde.«
Der Erzbischof schüttelte betrübt den Kopf. »Nun, genau das werde ich überprüfen müssen. Nicht, dass ich etwa an Euren Worten zweifle, aber diese Medica wird für ihre … nun, sagen wir: ungewöhnlich wirksamen Heilmethoden vor einem Gericht Rechenschaft ablegen müssen. Ich will jetzt nicht alles aufführen, was ihr zur Last gelegt wird, nur eines: Sie hat vor Zeugen ein bereits ertrunkenes Kind wieder zum Leben erweckt. Durch Handauflegen! Was sagt Ihr dazu? Wenn das kein Hexenwerk ist!« Und mit besonderem Genuss fügte er an: »Ich will Euch und Eurem besonderen Rang unter den Fürsten des Reiches insofern Rechnung tragen, dass ich verfüge, ihr Verhör und ihren Prozess hier in Oppenheim durchführen zu lassen. Kraft meines Amtes hätte ich sie, bei den zahlreichen Vergehen, die ihr vorgeworfen werden, auch verhaften lassen und in mein Bistum schaffen lassen können, das seht Ihr doch ein.« Diesmal sparte er sich sein höhnisches Lächeln, denn die Angelegenheit war ihm ernst.
Nachdem Graf Georg eine Weile geschwiegen hatte, sagte er schließlich: »Ich werde alles für einen Prozess vorbereiten lassen, damit der Gerechtigkeit Genüge getan werden kann. Ich bin fest davon überzeugt, die Vorwürfe gegen die Medica sind ungerechtfertigt und reine Lügengeschichten.«
»Das Gericht unter meinem Vorsitz wird die Wahrheit herausfinden, Hoheit«, erwiderte Konrad von Hochstaden.
»Aber nur ein weltliches Gericht kann über die Todesstrafe befinden, Eure Eminenz.«
Jetzt schlich sich doch wieder ein feines und überlegenes Lächeln in das Gesicht des Erzbischofs, als er entgegnete: »Ihr könnt versichert sein, dass mir dergleichen Formalitäten durchaus geläufig sind. Die Anwesenheit des Vogtes als Vertreter der weltlichen Gerichtsbarkeit wird dafür sorgen, dass alles nach Recht und Gesetz vonstatten geht.«
»Wie ich sehe, habt Ihr Eure Vorgehensweise schon bis ins Detail geplant«, entgegnete der Graf.
Konrad von Hochstaden hielt es nicht für nötig, seine Eitelkeit und Überlegenheit länger zu zügeln. »Oh, ich überlasse gemeinhin bei so wichtigen Anlässen nichts dem Zufall.«
Der Graf nickte knapp. »Dann gestattet mir eine dringende Bitte: Gebt der Medica noch so lange Zeit, bis mein Schwager wieder halbwegs auf den Beinen ist. Er braucht ihre kundige Hand und ihr Wissen, sonst fürchte ich um seine Genesung.«
Der Erzbischof zog die Stirn in Falten. »Die Kirche lässt nicht mit sich feilschen, Hoheit. Das solltet Ihr wissen. Aber dringende Amtsgeschäfte in meinem Bistum erfordern meine sofortige Anwesenheit in Köln. Für vier Wochen. So lange hat Eure Medica Zeit, Euren Schwager gesund zu machen. Auf welche Art auch immer.«
Er wandte sich schon zum Gehen, da fiel ihm noch etwas ein, und er drehte sich noch einmal um. »Ich nehme an, dass Ihr die Medica warnen werdet.«
Der Erzbischof sah der schuldbewussten Miene des Grafen an, dass er mit seiner Vermutung recht hatte. Er trat ganz nahe an sein Gegenüber heran und flüsterte in dessen Ohr: »Ich gehe davon aus, dass die Medica bis zu ihrem Prozess von Euch unter Hausarrest gestellt und dementsprechend bewacht wird. Mein Neffe, der unter dem Kommando Eures Burghauptmanns als Ausbilder der Bogenschützen bei Euch gedient hat, wird darauf achten, dass
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