Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)
geschehen lassen musste – dieser Neffe des Erzbischofs war unter falschem Namen beim Turnier aufgetreten, hatte es nicht nur gewonnen und seinen Schwager dabei schwer verletzt, sondern vorher auch noch als Ausbilder der Bogenschützen im Auftrag seines Onkels die Burg ausspioniert. Die nachträgliche Kenntnis all dieser Intrigen musste der Graf kommentarlos schlucken, musste gute Miene zum bösen Spiel machen, obwohl er diesen jungen Hochstaden am liebsten in hohem Bogen hinausgeworfen hätte.
Doch auch in diesem Fall war der Graf gezwungen, die Zähne zusammenzubeißen. Doch der Zweck heiligte nun mal die Mittel, und die Auskundschaftung möglicher Hexerei war vorrangig, das hatte ihm der Erzbischof unmissverständlich deutlich gemacht, nicht zuletzt in der Nachricht, die der Bote zusammen mit der Ankündigung des erzbischöflichen Stellvertreters überbracht hatte.
Graf Georg sah Gero von Hochstaden zusammen mit dem Burgkaplan näher kommen und ärgerte sich maßlos über das unverhohlene und freche Grinsen auf dem Gesicht des jungen Mannes, das dieser angesichts seiner vom Erzbischof verliehenen Autorität und Befehlsgewalt an den Tag legte. Aber Georg von Landskron verbarg diese Gefühlsregung und begrüßte die Ankommenden mit einem leichten Kopfnicken.
Der Neffe des Erzbischofs ergriff das Wort: »Hoheit, ich entbiete Euch Grüße von Seiner Eminenz, dem Erzbischof.«
»Kommt zur Sache, Graf Hochstaden«, antwortete Graf Georg brüsk.
»Ich habe hier eine Vollmacht von Seiner Eminenz«, damit überreichte Gero von Hochstaden die Urkunde seines Onkels. »Ab sofort unterstehen Eure Männer meinem Befehl. Das gilt bis zur Ankunft des Erzbischofs. Ich werde dafür Sorge tragen, dass seinen Anordnungen peinlich genau Folge geleistet wird. Habt Ihr irgendwelche Einwände?«
»Und wenn ich welche hätte?«, fragte Graf Georg.
»Wäre ich gezwungen, die Anordnungen gewaltsam durchzusetzen. Notfalls unter Zuhilfenahme meiner Männer, die draußen postiert sind«, antwortete Gero süffisant.
Graf Georg schluckte eine Antwort hinunter, warf einen Blick auf die mit dem Siegel des Erzbischofs versehene Urkunde, rollte sie wieder zusammen und sah Gero von Hochstaden verächtlich ins Gesicht. »Sonst noch etwas?«
»Ja. Sorgt dafür, dass bis Festum nativitatis Mariae alles für die Verhandlung bereit ist. Das betrifft auch den Kerker. Wo befindet er sich?«
»Unter dem Bergfried.«
»Gut. Ich werde ihn zu gegebener Zeit inspizieren. Habt Ihr einen geeigneten Raum, wo man peinliche Befragungen vornehmen kann?«
»Ihr meint … eine Folterkammer?«
Gero von Hochstaden zuckte mit den Achseln, was wohl bedeuten sollte: Wenn Ihr es so nennen wollt …
»Nein. Eine solche Einrichtung habe ich bisher nicht benötigt, und ich hoffe, es wird nie so weit kommen, dass ich sie brauche«, sagte Graf Georg.
»Man sollte stets für alle Eventualitäten gerüstet sein«, bemerkte Gero von Hochstaden herablassend und trat mit einer einladenden Handbewegung zum Burgkaplan einen Schritt zurück.
Der Geistliche deutete eine Verbeugung an und sagte: »Hoheit, bitte macht Euch mit dem Gedanken vertraut, dass Ihr und Eure Gattin als Zeugen aufgerufen werdet. Ebenso wie jeder Patient, der von der Medica jemals behandelt worden ist. Solltet Ihr noch den Wunsch verspüren, vorher eine Beichte abzulegen und Euer Gewissen zu erleichtern, dann stehe ich Euch jederzeit zur Verfügung, wie es meine Pflicht ist.«
Während der Kaplan sprach, sah sich Gero von Hochstaden in der Empfangshalle um, als wäre er der neue Herr auf Burg Landskron, bevor er sich erneut Graf Georg zuwandte und ihn fragte: »Wie geht es Eurem Schwager? Wie ich vernommen habe, ist er schon auf dem Weg der Besserung.«
»Dann wisst Ihr mehr als ich. Meine Gattin sucht ihn gerade auf. Sie wird mir berichten, wie sein Zustand ist.«
»Wenn er keine Behandlung mehr benötigt, muss ich die Medica in Eurem Kerker festsetzen lassen, damit sie nicht noch auf dumme Gedanken kommt.«
»Ich werde Euch Bescheid geben.«
»Das will ich hoffen.«
Damit drehte sich Gero von Hochstaden um und ging hinaus, den Burgkaplan im Schlepptau. Krachend fiel die Tür hinter den beiden Männern ins Schloss.
Georg von Landskron blieb mit geballten Fäusten zurück und warf dann seinen Becher, der unberührt auf dem Tisch stand, mit voller Wucht gegen die Wand, so dass er in tausend Scherben zerbarst und der Wein einen Fleck hinterließ, von dem es rot wie Blut herabtropfte.
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