Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)
eignet, Eisen zum Glühen zu bringen und widerspenstige Hexen zu einem Geständnis zu bewegen. Wenn Ihr meinen Männern den Weg weist, dann können sie die Gerätschaften, die ich für eine peinliche Befragung mitgebracht habe, gleich dort unterbringen. Falls sie notwendig werden sollte.«
Jetzt lagerte nur noch ein sargähnlicher Gegenstand auf der Ladefläche des Wagens. Er war mit festgenagelten Leisten und Seilen am Holzboden und an den Seitenwänden befestigt, so dass er nicht verrutschen konnte, und war mit einer Plane bedeckt.
»Kommt mit mir, Graf, ich möchte Euch etwas zeigen«, sagte der Erzbischof in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. Dann bestieg er mit Hilfe des Burgkaplans die Leiter, die noch vom Abladen am Wagen befestigt war, und wartete, bis auch der Graf von Landskron die Ladefläche erklommen hatte.
»Was ist das – ein ganz besonderes Folterwerkzeug?«, fragte Graf von Landskron mit einer Geringschätzung, die nicht zu überhören war.
»Wo denkt Ihr hin!«, antwortete der Erzbischof bestens gelaunt. »Das Wenige, was meine Männer zur Schmiede gebracht haben, ist völlig ausreichend. Zumeist reicht schon der Anblick eines glühenden Eisens, und Ihr bekommt jedes Geständnis. Nein, hier in diesem Kasten ist mein Geschenk an die braven Bürger von Oppenheim für die baldige Einweihung der Katharinenkirche. Deren Pfarrer übrigens Euer Burgkaplan werden wird.«
Der Burgkaplan, der nach dem Grafen den Wagen bestiegen hatte, kniete bei diesen Worten vor dem Erzbischof nieder, küsste dessen Ring und stammelte: »Eure Eminenz, Ihr seid zu großzügig! Ich weiß gar nicht, wie ich Euch danken soll!«
»Schon gut, wenn der Moment gekommen ist, werdet Ihr es wissen! Erhebt Euch«, sagte der Erzbischof in allergnädigster Stimmung.
Ein Wink von ihm, und zwei Söldner lösten die Halteseile, so dass die Plane nun lose auf dem Kasten lag. Mit einem theatralischen Schwung zog der Erzbischof die Plane fort, und zum Vorschein kam tatsächlich ein Sarg, der mit Glasfensterchen versehen war. Im Inneren des Sarges lag ein menschliches Skelett mit zusammengefalteten Fingerknochen, auf einem großen dunkelroten Samtkissen gebettet und in eine kostbare, mit Goldfäden bestickte Tunika gekleidet. »Die heilige Katharina, als Reliquie für die Katharinenkirche zu Oppenheim«, erklärte der Erzbischof mit donnernder Stimme und so feierlich, dass alle Umstehenden, einschließlich der Männer auf dem Wagen, sich ihre Kopfbedeckungen vom Haupt rissen, in die Knie gingen und sich bekreuzigten.
VII
A nna wusste, dass der Erzbischof samt Gefolge eingetroffen war, weil eine der Wachen, die vor ihrer Tür standen, es ihr gemeldet hatte. Berbelin, die bei ihr weilte, war bei den Worten des Soldaten in ihrem Stuhl zusammengesunken und betete still vor sich hin. Anna blieb äußerlich unbeeindruckt und gelassen, aber in ihrem Innern brodelte es. Wo war Bruder Thomas? Wenn er nicht rechtzeitig zurückkam und etwas wirklich Brauchbares gegen den Erzbischof in Händen hielt, war es um sie geschehen.
Nur ein einziges Mal, seit sie in die Burg umgezogen war, hatte sie mit Junker Chassim allein sein dürfen. Sie hatten sich geküsst und einander in den Armen gelegen, aber dann war es Chassim, der, seit er durch den Gipsverband wieder in der Lage war, selbständig zu gehen, seine alte Tatkraft wiedergefunden hatte. Doch seine jugendliche Unbekümmertheit war einer ernsten Zuversicht gewichen. Trotz der Gegenmaßnahmen, die sie endlich ergriffen hatten, bestand er darauf, mit Anna einen Fluchtplan zu entwerfen, der in Kraft treten würde, wenn alle Stricke reißen sollten und Bruder Thomas, warum auch immer, nicht rechtzeitig oder gar nicht von seiner Mission in Kloster Heisterbach zurückkehren sollte.
»Vielleicht nutzt er die Gelegenheit und macht sich für immer aus dem Staub«, wagte Chassim einzuwerfen, aber Anna widersprach ihm vehement.
»Das würde er niemals tun. Bruder Thomas verrät mich nicht, da bin ich mir absolut sicher. Wenn er wirklich nicht kommt, dann wird er entweder festgehalten oder es ist ihm etwas zugestoßen.«
In ihrem wiedererwachten Gottvertrauen hoffte Anna immer noch auf eine gerechte Verhandlung. Sie hatte sich nichts vorzuwerfen, und Graf Georg von Landskron persönlich garantierte, dass sie sich verteidigen durfte – was nicht unbedingt üblich war in derartigen Prozessen. Im äußersten Notfall würde Chassim, ohne seine Schwester, geschweige denn seinen Schwager, einzuweihen,
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