Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)
Schritt zurück und bedachte sie mit einem abfälligen Blick, bevor er sich vorbeugte und ihr förmlich seine Worte ins Gesicht spie: »Mir wurde berichtet, deine Eltern haben geschrien wie Schweine auf der Schlachtbank, als sie in ihrer jämmerlichen Hütte verbrannten. Ich freue mich schon auf deine Schreie, wenn die Flammen des Scheiterhaufens dich läutern!«
Damit drehte er sich um und verließ die Kemenate . Die Tür schlug hinter ihm krachend ins Schloss.
Anna zuckte zusammen und merkte erst jetzt, dass sie am ganzen Körper zitterte wie Espenlaub.
VIII
F estum nativitatis Mariae, der Tag des Gerichts, war gekommen.
Das Tribunal saß hinter dem schweren Tisch an der Stirnseite der Empfangshalle im gräflichen Palas; es bestand aus dem Erzbischof im prächtigsten Ornat und mit Mitra auf dem Haupt; Graf Georg von Landskron mit finsterer Miene; dem Vogt, eitel und einfältig; Abt Sixtus, dessen strenger Blick ständig forschend umherschweifte; dem Burgkaplan, der das Protokoll führte sowie zwei weiteren Beisitzern, feinen Herrschaften, die beinah platzten vor Stolz, dem Erzbischof und damit der Kirche zu Diensten sein zu dürfen.
Dem Tribunal gegenüber war hinter einer Absperrung, einem gewöhnlichen Strick, das Volk, einfache Leute, die aus Neugier oder aus Vorfreude auf eine dramatische Verhandlung von nah und fern herbeigeströmt waren. Alle paar Fuß stand eine schwerbewaffnete Wache, um dafür zu sorgen, dass es zu keinen Krawallen kam. Noch herrschte erwartungsvolle Spannung und allgemeines Stimmengemurmel. Doch plötzlich kehrte eisige Stille ein.
* * *
Zwei Wachen geleiteten Anna die Treppe herunter, die in die oberen Stockwerke führte. Sie war nicht gefesselt, dafür hatte Chassim in Absprache mit seinem Schwager gesorgt, was jetzt, da sie die Empfangshalle betrat, missmutige Stirnfalten beim Erzbischof hervorrief. Die Gräfin, Berbelin und Chassim folgten.
Anna fröstelte und zog ihren schwarzen Kapuzenumhang enger um sich. Gefasst und konzentriert steuerte sie auf das für sie vorgesehene Pult zu und blieb davor stehen. Die sie begleitenden Wachen zogen sich auf einen Wink des Erzbischofs zurück, und Anna musterte mit offenem Blick ihre Richter. Bei ihrem Auftritt war es wieder zu einer gewissen Unruhe unter den Zuschauern gekommen.
Abt Sixtus erhob sich. »Ruhe«, brüllte er. »Ruhe!«
Er wartete ab, bis es wieder so still geworden war, dass man jedes Räuspern, jedes Rascheln der Kleider, jedes Knistern des Strohs unter den Füßen hören konnte.
Dann sprach er so laut, dass jeder es hören konnte: »Wir beginnen nun mit dem Prozess gegen die Angeklagte Anna aus Ahrweiler, genannt Medica. Graf Georg von Landskron hat uns auf Anzeige des ehrwürdigen Burgkaplans diese Person überantwortet, damit wir über sie zu Gericht sitzen. Alle Anwesenden sind durch ihr Glaubensgelübde verpflichtet, unter Androhung der Exkommunikation, den Inquisitor, den ehrwürdigen Erzbischof Konrad von Hochstaden, in seiner Wahrheitsfindung und seinem Kampf gegen die Häresie zu unterstützen. Jeder, der das Urteil des Inquisitors in Frage stellt, ist ein Ketzer und als solcher zu bestrafen.«
Die schwerwiegenden Worte verhallten im Raum. Jetzt war es wirklich totenstill. Bis die schneidende Stimme des Erzbischofs wie ein Messer die angespannte Atmosphäre durchschnitt.
»Dein Name, Angeklagte!«
Anna antwortete überdeutlich. »Anna.«
»Wo bist du geboren?«
»In Ahrweiler.«
»Wie alt bist du?«
»Ich werde siebzehn, in drei Wochen, um genau zu sein.«
»Ist dir klar, dass du die Pflicht hast, alle Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten?«
»Ja.«
»Dann schwöre auf die Bibel!«
Der Burgkaplan trat heran und hielt Anna die Bibel hin. Aber mit einem gewissen Abstand, als hätte sie eine nach Schwefel stinkende Aura. Anna sah ihn absichtlich nicht an, als sie die Hand auf die Bibel legte und sprach: »Ich schwöre bei Gott.«
Der Erzbischof wartete, bis der Burgkaplan wieder seinen Platz eingenommen hatte, dann sagte er: »Anna Ahrweiler – bist du getauft?«
»Ja.«
»Wer sind deine Eltern?«
»Caspar und Gret aus Ahrweiler. Sie sind beide tot. Aber das ist Euch ja schon bekannt.«
Abt Sixtus mischte sich ein und geiferte: »Eminenz, Angeklagte! Der Bischof ist mit Eminenz anzusprechen!«
»Dass meine Eltern tot sind, wisst Ihr ja schon, Eminenz«, wiederholte Anna ausdrücklich und betonte den Titel, als würde sie ein Schimpfwort aussprechen.
»Das tut nichts zur Sache«, winkte
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