Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)
sprechen.«
»Jetzt?«, fragte Gero schlaftrunken, »um diese Zeit?«
»Wie Ihr wisst, vergeudet der Erzbischof seine kostbare Zeit nicht mit Schlafen«, sagte der Diener spitz und verließ das Schlafgemach wieder. Normalerweise hätte es kein Bediensteter in der ganzen Grafschaft gewagt, auf diese Weise mit Gero von Hochstaden umzuspringen. Aber die Männer des Erzbischofs hatten den ausdrücklichen Befehl, die Wünsche ihres Herrn unverzüglich umzusetzen. Und das wusste jeder zu akzeptieren – wenn der Erzbischof rief, dann zögerte man keinen Augenblick, diesem Ruf auch zügig Folge zu leisten.
Hastig zog sich Gero an und goss eine Kanne Wasser über seinen Kopf, um wach zu werden.
So erfrischt, machte er sich auf, über die Flure und Treppen der verwinkelten Burg in die Haupthalle zu gelangen. Als er die Halle betrat, wunderte er sich – sie war leer, bis auf ein paar schlafende Knechte und Hunde, die um das prasselnde Feuer im Kamin herum lagen.
»Wo bleibst du?«, erklang es ungeduldig von oben, und Gero suchte in der weiträumigen Halle nach dem Diener des Erzbischofs, bis er ihn am Ende der Treppe entdeckte, die zu einem Seitenflügel der großen und im Laufe der Jahrzehnte immer wieder erweiterten Burganlage führte. Dort waren normalerweise die Gäste untergebracht.
Gero beeilte sich, nach oben zu kommen, und folgte dem Diener, der mit seiner Fackel in der Hand den dunklen Gang vorausging und schließlich vor einer schweren Eichentür haltmachte. Mit dem dicken Siegelring, den er, wie alle Männer aus dem engeren Kreis des Erzbischofs, am Ringfinger der linken Hand trug, klopfte der Diener an die Tür. Er trat nicht etwa ein, sondern wartete, bis von innen aufgemacht wurde. Eine bewaffnete Wache lugte heraus und spähte den Gang nach beiden Seiten hinunter, bevor sie einen Schritt beiseite trat, die Besucher hereinließ und sofort hinter ihnen die Tür wieder schloss.
Wie die Ritter der Tafelrunde saß eine illustre Schar am hufeisenförmig geschwungenen Eichentisch. Keiner sagte ein Wort, alle sahen nur zu, wie Gero und sein Begleiter näher kamen. Flackernde Kerzen beleuchteten den Raum, auf dem Tisch standen die Reste eines großzügigen Mahls, ein Mundschenk goss Wein in kostbare Gläser. Gero blieb am Tisch stehen, verneigte sich aber auf einen auffordernden Blick seines Vaters hin, der den Vorsitz der konspirativen Sitzung zu führen schien, vor seinem Onkel, dem Erzbischof. Konrad von Hochstaden musterte seinen Neffen, dem die Situation allmählich unangenehm wurde, denn noch immer sagte niemand ein Wort.
Als sein Vater schließlich den Mundschenk hinauswinkte, der von Geros Begleiter und der Wache nach draußen eskortiert wurde, begriff Gero, dass es hier um Belange ging, von denen niemand etwas erfahren durfte. Er würde abwarten, bis er angesprochen wurde. Bis sich die Tür wieder schloss, hatte Gero Zeit, die Anwesenden unauffällig einzuschätzen. Am Tisch saßen ein Dutzend Männer in ihren besten Jahren, einige davon kannte er. Den Erzbischof, dessen rechte Hand Abt Sixtus, seinen Onkel Heinrich, seinen Vater. Die anderen hatte er noch nie gesehen. Es waren wohl die welfischen Berater und hohe Adlige und Kirchenmänner aus dem Umfeld des Erzbischofs.
Der Erzbischof brach das Schweigen, das wie ein schweres Leintuch über der Gruppe lag.
»Das ist mein Neffe Gero«, stellte er ihn vor. Er bat ihn nicht, sich zu setzen, was Gero nervös machte. Aber er ließ sich nichts anmerken und nickte den hohen Herren im Halbrund zu. Ihm war klar, dass er einen guten Eindruck machen musste, hier ging es offensichtlich um äußerst brisante Angelegenheiten, sonst hätten die Anwesenden nicht diese feierlichen Mienen zur Schau getragen.
»Gero«, fuhr der Erzbischof schließlich fort, »schwöre mir und den Herren hier beim Blut Jesu Christi, dass kein Wort von dem, was hier gesagt wird, jemals nach draußen dringt.«
Gero räusperte sich, hob die rechte Schwurhand mit den ausgestreckten drei Fingern und sagte: »Ich schwöre es!«
»Gut«, antwortete der Erzbischof und machte immer noch keine Anstalten, Gero zum Sitzen aufzufordern.
Unmerklich verlagerte Gero sein Gewicht auf den anderen Fuß. In diesem Augenblick war er heilfroh, dass er am Abend nicht übermäßig getrunken hatte.
Schließlich, nach einer halben Ewigkeit, sah sein Onkel von den Papieren hoch, auf die er einen Blick geworfen hatte. »Kommen wir zur Sache. Setz dich, Gero«, sagte der Erzbischof auf einmal leutselig und
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