Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)
gewesen, unter fadenscheinigem Vorwand einen Aufstand vom Zaun zu brechen und Gläubiger und Schulden auf einen Schlag loszuwerden, indem man einen aufgehetzten Mob christlicher Fanatiker durch die Lande schickte?
Esther hatte Mühe, ihre düsteren Vorahnungen zu verscheuchen. Rebecca war mit dem Huhn fertig und machte sich schon am Herd zu schaffen. Esther putzte das restliche Gemüse.
Was machte eigentlich dieser Famulus ? Wollte er sich für den Rest des Tages im warmen Badebecken suhlen? Sie beschloss, heimlich ein Auge in die Badestube zu werfen, um zu sehen, was dort vor sich ging.
Esther lief hinten um das Haus herum. An der Rückseite der Badestube, in gerade noch für eine Hand erreichbarer Höhe, befand sich eine Luke in der Hauswand. Sie war mit einem hölzernen Schieber versehen, durch den, wenn er geöffnet war, der Dampf ins Freie entweichen konnte. Diesen Schieber konnte man sowohl von innen als auch von außen betätigen.
In ihren Holzpantinen und mit dem Korb voll Küchenabfall ging Esther durch den Hinterausgang hinaus und an der rückwärtigen Hauswand entlang bis zur Höhe der Badestube, dort, wo der Bach wieder unter dem Haus hervorkam. Sie schüttete den Abfall ins Wasser. Der Regen hatte inzwischen aufgehört, die Luft war kühl und trocken, das Gras hinter dem Haus war zwar noch nass, aber die Hagelkörner waren zum Glück geschmolzen. Im Kräutergarten hatte das starke Unwetter jedoch beträchtlichen Schaden angerichtet.
Esther seufzte und wandte sich wieder dem eigentlichen Ziel ihres Rundgangs zu, dem rückwärtigen Teil der Badestube mit dem Holzschieber. Sie stellte den Korb verkehrt herum ab und stieg darauf, so dass sie mit der Luke auf Augenhöhe war. Dann zog sie den Schieber langsam und geräuschlos zurück. Was sie in der Badestube sah, ließ sie sofort den Blick abwenden und den Schieber wieder schließen. Sie musste sich an der Wand anlehnen und die Hand vor den Mund pressen, um nicht einen überraschten Schrei auszustoßen. Beinahe wäre sie noch vor Schreck vom Korb heruntergefallen.
* * *
Als Anna sauber, nach Salbe duftend und in eine frische Tunika gekleidet endlich aus der Badestube herauskam, sah sie sich um. Niemand war da, der sie ausschimpfte, weil sie zu lange im Wasser gelegen und Zeit und Raum vergessen hatte. Sie ging den Flur entlang und spähte heimlich in die Küche. Rebecca und Esther waren mit dem Zubereiten der nächsten Mahlzeit beschäftigt, im Kessel köchelte etwas über dem Feuer, es roch verlockend nach Zwiebeln, Knoblauch und Kräutern. Gerade wollte Anna neugierig hineingehen, da hörte sie Aarons Stimme: »Bruder Marian – bist du fertig?«
Sie folgte der Stimme und fand Aaron in seinem Laboratorium neben dem Behandlungszimmer, wo er gerade einen Sud ansetzte. Er schien sich schnell wieder erholt zu haben, so konzentriert und eifrig, wie er zu Werke ging. »Setz dich, ich habe mit dir zu reden«, sagte er nebenher, ohne sie anzusehen.
Gehorsam ließ sich Anna auf einem Stuhl nieder und sah ihm zu.
»War alles zu deiner Zufriedenheit?«, fragte er sie ein wenig zerstreut.
Anna nickte und sagte: »Ja. Es war wundervoll. Ich fühle mich wie neugeboren. Und Eure Salbe wirkt wahre Wunder. Ihr müsst mir unbedingt verraten, wie man sie zubereitet und welche Zutaten Ihr verwendet. Mein Juckreiz hat schon nachgelassen. Ich weiß gar nicht, wie ich Euch danken soll.«
Aaron winkte geistesabwesend ab – »Nebbich!« – und siebte den dampfenden Sud durch ein grobes Tuch in einen Topf, dann presste er das Tuch mit den Kräutern aus und warf den Abfall in einen Behälter. Er wischte sich die Hände an einem neuen Tuch ab und dreht sich zu Anna um. Er zog einen Stuhl heran und setzte sich ihr gegenüber, so nahe, dass sich ihre Knie fast berührten. Zunächst sprach er kein Wort, sah sie nur an und fing ihren Blick ein. Endlich, als Anna sich schon unbehaglich zu fühlen begann, sagte er: »Bruder Marian, ich bin enttäuscht von dir.«
Der Vorwurf lastete schwer zwischen ihnen. Anna war irritiert. Sie konnte sich zunächst keinen Reim darauf machen, was sie falsch gemacht haben sollte. Verunsichert fragte sie: »Seid Ihr mit meiner Behandlung nicht zufrieden? Habe ich Eure Wunde nicht richtig vernäht?«
»Nein, das ist es nicht«, sagte Aaron und berührte die Naht, auf die er noch eine grünliche Salbe aufgetragen hatte. »Wenn du so weitermachst und noch einiges dazulernst, kann eines Tages ein richtig guter Medicus aus dir werden. Die
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