Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)
verwies auf den einzigen freien Stuhl.
Gero tat, wie ihm geheißen, und blickte seinen Onkel erwartungsvoll an.
»Wir brauchen einen zuverlässigen Mann, der eine schwierige Mission zu meistern hat«, sagte Konrad von Hochstaden. »Dein Vater hat dich vorgeschlagen. Er ist der Ansicht, du hättest dich bei unserem Besuch im Kloster Heisterbach als umsichtiger Gefolgsmann bewährt.«
Eine Kunstpause folgte, um Geros Reaktion zu testen. Gero zuckte nicht mit der Wimper, weil er dachte, dass das von ihm erwartet wurde.
»Dort, wo wir dich hinschicken werden, falls du den Auftrag annimmst, kennt dich niemand. Das ist die eine Voraussetzung. Die zweite ist: Du musst außerordentlich vorsichtig und verschwiegen vorgehen. Dein Vater hat sich dafür verbürgt, dass du einer solchen Aufgabe gewachsen bist.«
Gero schluckte innerlich und gab sich weiterhin unbeeindruckt. Sein Onkel wusste sehr wohl, dass Unbeherrschtheit und Jähzorn Geros hervorstechendste Charaktereigenschaften waren. Aber dieses Mal würde er sich wirklich am Riemen reißen. Zu viel hing davon ab, dass er seinen langersehnten Auftrag zur Zufriedenheit des Erzbischofs ausführte.
»Du hast jetzt lange genug deine Zeit damit vergeudet, deinem jugendlichen Übermut nachzugeben, und hast deine durch Stand und Gesetz bestimmten Grenzen mehr als einmal ausgereizt und überschritten.«
Bei diesen Worten durchbohrte der Blick des Erzbischofs Gero förmlich und machte ihn frösteln.
»Um in Zukunft ein nützliches Mitglied unserer Familie zu sein, wirst du jetzt Gelegenheit bekommen, zu beweisen, ob du den Namen von Hochstaden zu Recht trägst.«
Die schweigsamen Männer am Tisch nickten bekräftigend. Ungeachtet dessen fuhr Konrad von Hochstaden fort: »Diese ehrenwerten Herren hier …«, er machte eine weitausholende Geste, die die gesamte Tischrunde mit einschloss, »… werden zusammen mit mir alles daransetzen, dass es im Heiligen Römischen Reich endlich ein Ende hat mit der Herrschaft eines Kaisers, der sich Friedrich II. nennt, sich nur um seine Sarazenenhuren und eine Insel namens Sizilien kümmert, statt um die Verwaltung und das Staatswesen seines Reiches – eines Reiches, das er im Auftrag des Papstes von Gott als Lehen erhielt –, so wie es seinem Titel und seiner Verantwortung nach seine Pflicht und Schuldigkeit wäre!«
Die Anwesenden klopften zustimmend auf die große Tischplatte.
»Der Papst hat ihm den Titel Kaiser verliehen, doch mit diesem hohen und höchsten Titel ist nicht nur das direkte Herrschertum verbunden, sondern auch eine christliche Pflicht. Eine Pflicht den Kurfürsten und den deutschen Stammlanden gegenüber. Indem Friedrich II. diese Pflicht schändlich vernachlässigt, hat er sich gegenüber Gott versündigt. Und jetzt weigert sich dieser Kaiser sogar, seine durch den verstorbenen Papst ausgesprochene Exkommunikation in Demut anzuerkennen und seine Verfehlungen zu bereuen, und setzt uns stattdessen seinen unreifen Sohn Konrad als König vor! Das, meine Fürsten, können wir uns nicht mehr länger gefallen lassen!«
Er machte eine Pause, während die feinen Herren der Tafelrunde grimmig mit den Köpfen nickten und zustimmend murmelten.
Konrad von Hochstaden wandte sich an Gero, der von der leidenschaftlichen Rede seines Onkels ganz benommen war.
»Kannst du meinen Worten, die nur die Überzeugung der hier Anwesenden wiedergegeben haben, vorbehaltlos zustimmen, Gero von Hochstaden?«
Gero war immer noch so beeindruckt, dass er nur stammeln konnte: »Das … das ist Hochverrat, Eure Eminenz.«
Kaum war ihm dieses Unwort herausgerutscht, bereute er es auch schon. Aber ein anderes Wort als dieses wäre ihm für die Brandrede des Erzbischofs auch nicht eingefallen. Er hatte vermutet, dass sein Onkel etwas im Schilde führte, was man unter der Rubrik »dringende Reformen fordern« oder »aus Staatsräson ein Ultimatum stellen« hätte einordnen können, aber dass er so weit gehen würde, den Herrschaftsanspruch des Kaisers in Frage zu stellen und ihn stürzen zu wollen, das hatte Gero nicht einmal in seinen kühnsten Träumen vermutet. Als es nach seiner Antwort still geblieben war und das Schweigen immer noch andauerte, bekam er es doch mit der Angst zu tun: Hoffentlich hatte er sich mit seinem Ausspruch nicht um Kopf und Kragen geredet.
Konrad von Hochstaden wandte sich an Geros Vater, Lothar von Hochstaden.
»Dein Sohn hat eine bessere Auffassungsgabe, als ich dachte«, sagte er höhnisch, und plötzlich
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