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Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Geiges
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und seine Seele würde hinaufschweben bis zu dem filigranen Kreuzrippengewölbe über dem Altar, schwerelos und leicht wie eine Feder. Es war ihm, als könnte er seinen dahingestreckten Leib von der Decke aus erblicken. Von dort sah er aus wie ein Engel nach dem Höllensturz. War das eine Vorsehung? Dass er für sein Streben nach Gottgleichheit eines Tages zur Hölle fahren musste, wie es in Jesaja 14, 12 hieß: »Wie bist du vom Himmel gefallen, du schöner Morgenstern! Wie bist du zur Erde gefället, der du die Heiden schwächtest! Gedachtest du doch in deinem Herzen: Ich will in den Himmel steigen und meinen Stuhl über die Sterne Gottes erhöhen; ich will mich setzen auf den Berg des Stifts, an der Seite gegen Mitternacht; ich will über die hohen Wolken fahren und gleich sein dem Allerhöchsten. Ja, zur Hölle fährest du!« Ein furchtbares Zittern ergriff seinen Leib und seine Seele, und Konrad von Hochstaden fürchtete um ihre Unsterblichkeit. Es war ein wahrhaft schrecklicher Moment der Erkenntnis seiner ewigen Verdammnis, den ihm Gott bescherte.
    Da setzten himmlische Choräle ein, in einem weit entfernten Teil seines Bewusstseins nahm er sie wahr. Langsam kehrte Konrad von Hochstaden von seiner Vision zurück in die Wirklichkeit. Das mussten Pater Ambrosius und sein Novizenchor sein, die außerhalb des Lettners übten. Die hellen, reinen Stimmen gaben seiner Vision, seinem Einssein mit der heiligen Dreifaltigkeit, einen unverhofften Trost, nach dem er dürstete wie ein Süchtiger, den es nach Wein verlangte und der schließlich erhört und gelabt wurde. Nach der düsteren Vision schien es wie das unerwartete göttliche Zeichen der Vergebung all seiner Sünden und wie eine Vorausschau auf sein ewiges Leben im himmlischen Paradies, das er sich mit seinen Taten auf der Erde verdienen würde, dessen war er sich nun gewiss.
    * * *
    Auf dem Weg nach Burg Landskron überquerte Anna den Marktplatz von Oppenheim. Seit einem Monat ging sie jetzt allein ihren Pflichten als Heilerin nach, und der Übergang von einer Famula zur Medica war alles andere als einfach gewesen. Sie hatte viele Patienten von Aaron verloren, die ihr nicht zutrauten, in die Fußstapfen des Medicus zu treten. Trotzdem hatte sie sich mit Feuereifer in die Arbeit gestürzt. Abends lag sie dann erschöpft auf ihrem Bett in der Kammer, Aarons früherem Schlafgemach, das sie nach dessen Flucht aus Oppenheim bezogen hatte. Das ehemalige Schlafgemach des Medicus war doppelt so groß wie ihre alte Kammer im Erdgeschoss und ermöglichte es ihr, einen Tisch aufzustellen, den sie mit Berbelins Hilfe hochschleppte, um darauf die wuchtigen Folianten zu studieren, die ihr der Medicus hinterlassen hatte. Jeden freien Abend setzte sie sich voller Ehrgeiz bei Kerzenlicht an den Tisch und blätterte sie systematisch durch. Sie hatte sich so viel vorgenommen, aber manchmal schlief sie doch über den Schriften ein. Und dann träumte sie von ihrem Ritter, Junker Chassim …
    In ihrer alten Kammer logierte nun ihre Magd Berbelin, die sich gut eingefügt hatte. Anna mochte ihre stille, unaufdringliche, aber gründliche Art. Berbelin war fleißig, kaufte selbständig auf dem Markt ein und konnte gut kochen. Sie verständigten sich mit Gesten. Berbelin war zwar stumm, aber deswegen nicht auf den Kopf gefallen, obwohl das die meisten Leute vermuteten, wenn sie ihr gegenüberstanden. Für irgendeine Sünde, so dachten viele, wird sie Gott der Herr schon mit Stummheit bestraft haben. Berbelin konnte sogar lesen, wenn auch mühsam, ihre Mutter hatte es ihr, als sie noch lebte, halbwegs beigebracht.
    Aber einen guten und zuverlässigen Knecht zu finden, der für eine junge Frau wie Anna arbeiten würde, zumal sie, seit sie allein arbeitete, im Ruf stand, dass es in ihrem Haus vielleicht – wie hinter vorgehaltener Hand geflüstert wurde – nicht mit rechten Dingen zuging, schien aussichtslos zu sein. Anna musste sich vorerst ohne männlichen Beistand behelfen, was für sie zusehends schwieriger wurde und ihr zunehmend Sorgen bereitete. Ihr einziger Schutz bestand darin, dass jedermann wusste, dass sie unantastbar war, solange der Graf von Landskron seine Hand über sie hielt. Aber Gerüchte konnten schnell ein Eigenleben führen, vor allem, wenn sie eine unscheinbare, junge Frau betrafen, die sich bestens mit Teufelszeug wie Kräutern und Giften aller Art auskannte und dazu auch noch bei einem dubiosen jüdischen Medicus in die Lehre gegangen war. Diese

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