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Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Geiges
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zurückhaltend, sondern auch stumm und konnte sich nur mit Gesten verständigen, aber Anna mochte sie vom ersten Augenblick an.
    Als die Sonne schließlich untergegangen war, wurde das Fuhrwerk in der noch geschlossenen Scheune an die zwei Zugpferde angespannt. Niemand sollte sehen, was im Hause des Medicus vor sich ging. Zu guter Letzt machte Aaron noch eine Abschiedsrunde mit Anna, Esther und Rebecca durch das Haus, einmal, um nachzusehen, ob sie nicht doch etwas Wichtiges vergessen hatten, zum anderen, um die Mesusot, die Schriftkapseln, die nach alter jüdischer Sitte an jedem Türpfosten befestigt waren, mit allem nötigen Respekt abzunehmen und einzupacken. Es war mehr als eine rituelle Handlung. Aaron konnte nicht umhin, dieses Zeremoniell mit einer gewissen Andacht und Sentimentalität durchzuführen, war dies doch die letzte Handlung in seinem alten Haus. Esther musste sich verdächtig oft schnäuzen, und Rebecca ließ ihren Tränen freien Lauf, wobei sie keinen Laut von sich gab.
    Sobald Aaron die letzte Mesusa entfernt hatte, drehte er sich zu Anna um: »Einen Wunsch habe ich noch, Anna Ahrweiler. Den darfst du mir auf gar keinen Fall abschlagen.«
    »Äußert ihn nur. Kann ich ihn denn erfüllen?«, sagte Anna.
    »Oh ja«, antwortete der Medicus. »Er ist leicht zu erfüllen. Du wirst uns nicht bis zum Schiff begleiten. Tu mir den Gefallen und lass uns keine große Abschiedsszene machen. Sonst zerreißt es uns allen noch das Herz. Der Abschied fällt uns schon schwer genug.«
    Esther fiel Anna als Erste um den Hals und drückte sie, als wolle sie ihr sämtliche Rippen brechen. »Gott segne dich, mein Kind«, sagte sie mit einem unterdrückten Schluchzer, wandte sich ab und stieg auf den Kutschbock.
    Als Nächste herzte Rebecca sie und benetzte Annas Schulter mit ihren Tränen. Sie konnte Anna nicht mehr in die Augen sehen und folgte Esther auf den Kutschbock.
    Jetzt stand nur noch Aaron da. Er breitete die Arme wie Flügel auseinander, und Anna flog förmlich an seine Brust. Sie konnte ihre Tränen nicht mehr zurückhalten und schluchzte hemmungslos. Aaron streichelte ihr übers Haar und flüsterte unverständliche jiddische Worte, die wie ein Segen klangen. Dann löste er sich von ihr, gab ihr noch einen letzten väterlichen Kuss auf die Stirn und bestieg ebenfalls den Kutschbock.
    Anna war froh, dass sie in diesem Augenblick etwas zu tun hatte. Sie schlüpfte durch einen Spalt im Scheunentor und sah draußen nach, ob die Luft rein war. Der Vollmond warf sein fahles Licht über den Hof. Außer ein paar Fledermäusen, die lautlos im Hof herumflatterten und nach Insekten jagten, war nichts zu sehen. Anna stemmte sich gegen den ersten Torflügel und schob ihn auf, dann kam der zweite an die Reihe, er quietschte leise. Sie trat beiseite.
    Aaron schnalzte mit der Zunge und ließ die Zügel leicht tanzen. Die Pferde stemmten sich in ihr Geschirr, langsam setzte sich der schwere Planwagen in Bewegung. Ein letztes Mal blickten sich Anna und der Medicus an, und Anna wusste nicht warum, aber in diesem Augenblick verbeugte sie sich vor ihm.
    Die Frauen winkten, sie winkte zurück und sah dem Gefährt hinterher, bis es durch die Hofeinfahrt in die Nacht hinausrumpelte und sich schließlich in der Dunkelheit verlor. Ob sie den Medicus jemals wiedersehen würde? Anna blieb noch so lange stehen, bis auch das letzte Wagengeräusch verklungen war, dann drehte sie sich um und schloss die Scheunenflügel.
    Als sie in die Küche kam, musste sie sich erst mal setzen. Angst und Panik keimten in ihr auf. Sie erhob sich wieder und bereitete sich einen starken Schlaftrunk. Andernfalls würde sie vor lauter Grübeleien kein Auge zutun können, so aufgewühlt war sie.
    Sie setzte sich zurück an den Tisch, trank Schluck um Schluck und horchte.
    Wie still es im Haus war. Jedes Knacken im alten Gebälk war zu vernehmen.
    Schließlich stand sie wieder auf, versicherte sich noch einmal, dass die Tür abgesperrt war, ging in ihre Kammer, legte sich aufs Bett und wartete wie erstarrt darauf, dass der Schlaf endlich kommen würde.
    Doch das Einzige, was kam, waren die Tränen.

TEIL III

I
    K onrad von Hochstaden war mit sich zufrieden. Seine Politik gegen die Juden war erfolgreich gewesen. Unter dem Vorwand, sie schützen zu wollen, hatte er eine Auswanderungsverfügung erlassen, die bereits Ergebnisse zeitigte. Zahlreiche jüdische Familien waren dabei, das Land zu verlassen.
    Der Erzbischof befand sich allein in der düsteren

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