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Das Geheimnis der Mondsänger

Das Geheimnis der Mondsänger

Titel: Das Geheimnis der Mondsänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andre Norton
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klagenden Laute des kleinen Volkes. Die Tiere spürten ebenfalls die Macht, und Unruhe hatte sie erfaßt.
    Als ich meinen Mantel überstreifte, galt mein erster Gedanke ihnen. Mit dem Stab in der Hand ging ich zwischen den Käfigen auf und ab, daß sie mich sehen konnten und die Furcht verloren. Doch als ich an den Käfig des Barsks kam, stand das Tier mit geducktem Kopf da, zum Sprung bereit. Aus seinen Augen leuchtete der Wahnsinn wie gelbes Feuer.
    »Es kam ein Ruf …« Malec hatte sich zu mir gesellt.
    »Es kam ein Ruf«, bestätigte ich. »Aber nicht von den Lippen oder Gedanken der Alten. Außer sie haben die Macht angerufen, und sie hat mir anstelle von ihnen geantwortet.«
    Malec sah mich ernst an und machte eine unbestimmte Geste. Wir sind blutsverwandt, allerdings nicht bis zum zweiten Grad, und Malec sieht nicht immer so wie ich. Schon viele Male hat er versucht, mich an Dingen zu hindern, die er für Wahnsinn hielt.
    Doch auch er konnte sich nicht einer Sängerin widersetzen, wenn sie sagte, sie habe einen Ruf erhalten. So wartete er nun. Und ich nahm den Stab in beide Hände und drehte ihn langsam. Denn jetzt, da mein kleines Volk besänftigt war und sich die Furcht nicht mehr vor die Ausstrahlungen der Macht legte, konnte ich die Richtung suchen. Nord, West, Süd – der Stab schlug nicht aus. Aber als ich ihn leicht nach Osten wandte, deutete er starr in diese Richtung. Er erwärmte sich in meinen Fingern, so daß ich zu Malec sagte:
    »Es ist eine Schuld zu begleichen, und der Ruf erging an mich. Ich muß ihm folgen.«
    Wenn man gerufen wurde, um eine Schuld zu begleichen, durfte man nicht zögern, denn die Waage Molasters will Geben und Nehmen zu gleichen Teilen verzeichnen. Das gilt besonders für einen Sänger, da nur so die Macht hell lodernd erhalten wird.
    Dann fragte ich Malec: »Was ist mit dem Fremden? Und mit Osokun, der Finsteres plante?«
    Er trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen, bevor er antwortete. »Osokun ist im zweiten Grade blutsverwandt mit Oslaph, der …«
    »Der dieses Jahr vom Tempellos dazu ausersehen wurde, die Edelleute im Tribunal des Marktes zu vertreten. Und sagte nicht der Fremdling Slafid, daß sein anderer Verwandter, Ocorr, Anführer der Wachen sei? Aber es kann doch nicht sein, daß einer von ihnen so gegen Gesetz und Sitte verstößt.«
    Dann schwand meine Sicherheit, denn Malec pflichtete mir nicht sofort bei. Ich sah, daß er beunruhigt war, doch er wandte den Blick nicht von mir ab, da er ein Thassa ist und zwischen uns immer Wahrheit und Offenheit herrscht. So fuhr ich nun fort:
    »Es gibt Dinge, die ich nicht weiß?«
    »Ja. Kurz nach dem Mittagsgong holten die Wachen den Fremdling Krip Vorlund, um ihn wegen der Beschuldigungen Othelms, des Tierhändlers, vor Gericht zu befragen. Und die Gruppe wurde von Reitern angegriffen, die sich nicht innerhalb der Marktgrenzen befanden. Man glaubt, daß er wieder bei den Seinen ist, und der Oberpriester hat befohlen, daß ihr Verkaufsstand geschlossen werden muß. Die Handelsschiffer haben sich vom Markt zu entfernen.«
    »Du hast mir dies nicht erzählt?« Ich war nicht verärgert, höchstens über mich selbst, daß ich Osokun diese Tatkraft nicht zugetraut hatte. Denn ich hätte erkennen müssen, daß er ein Mann war, der viel wagte, ohne sich über die Konsequenzen den Kopf zu zerbrechen.
    »Es war logisch anzunehmen, daß er auf sein Schiff geflüchtet war«, erwiderte Malec. »Denn es ist bekannt, daß die Freien Handelsschiffer die ihren nicht im Stich lassen. Und vielleicht hatten sie kein Vertrauen zu der Gerechtigkeit des Tribunals.«
    »Außerdem ging es uns nichts an«, fügte ich ein wenig scharf hinzu. »Vielleicht war es so – von den Thassa her betrachtet. Ich weiß, daß wir durch Eid verpflichtet sind, uns nicht in die Angelegenheiten der Gemeinen zu mischen. Aber es ist eine persönliche Schuld, die ich begleichen muß. Und von dir verlange ich eines, denn du bist mein Blutsverwandter: Suche den Kapitän der Lydis auf. Wenn es wahr ist, daß sich Krip Vorlund nicht bei seinen Gefährten befindet, erzählst du ihm alles, was sich ereignet hat.«
    »Wir erhielten noch keine Antwort von den Alten«, widersprach er.
    »Bei der Waage von Molaster, ich übernehme die Verantwortung für diese Sache.« Und ich hauchte auf meinen Stab, daß er silberhell leuchtete.
    »Und was wirst du tun?« fragte er, doch ich wußte, daß er es bereits erraten hatte.
    »Ich suche, was ich suchen muß. Aber es muß

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