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Das Geheimnis der Mondsänger

Das Geheimnis der Mondsänger

Titel: Das Geheimnis der Mondsänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andre Norton
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austauschen.«
    »Weil sie ihn hierlassen würden?« fuhr ich fort.
    »Nein, sie würden ihn zum Tempel von Umphra bringen. Und wir müßten ihnen folgen, selbst ins Tal der Vergessenen.« Sie wandte den Kopf ab, und ich hatte das Gefühl, daß ihre letzten Worte eine eigene Bedeutung hatten.
    »Und wo wäre ich, während wir meinem Körper nachjagen?«
    »In einem anderen Körper, der sich vielleicht besser für den langen Weg eignet.«
    Es mußte ein Traum sein. Etwas anderes war unmöglich. Vielleicht war alles ein Traum – auch meine Flucht aus der Festung. Vielleicht war ich nie vom Markt entführt worden. Und eine seltsame Neugier überkam mich. Ich wollte wissen, wie weit mich dieser Traum bringen würde und welches neue, unheimliche Kapitel jetzt folgen sollte.
    »Es soll so sein, wie du willst«, sagte ich und lachte.
    Sie sah mich wieder an, und ich bemerkte das Glitzern ihrer Augen.
    »Du kommst wahrhaftig von einer starken Rasse, Wanderer der Sterne. Vielleicht verliert man aber auch das Staunen, wenn man so viele fremde Planeten sieht. Doch es soll nicht so sein, weil ich es will, sondern es muß dein Wunsch sein.«
    »Dann ist es eben mein Wunsch«, sagte ich gutmütig.
    »Bleib hier und ruh dich aus.« Die Hände auf meinen Schultern drückten mich sanft zurück, bis ich wieder auf dem Boden lag. Ich fragte mich, was wohl als nächstes kommen würde. Ich lag im Gras und sah den Himmel über mir, ich roch Wald und hörte den Wind und das Spritzen von Wasser.
    Der Traum war ganz realistisch. Ich wollte mich davon losreißen, aber es gelang mir nicht. Etwas bewegte sich neben mir. Ich drehte den Kopf zur Seite und öffnete die Augen. Helle Augen starrten mich aus einem pelzigen Gesicht an. Zwischen den Ohren stand ein graues Haarbüschel hoch, das an die Helmzier der Meereswanderer von Rankini erinnerte.
    Rankini – meine Gedanken glitten weiter, schweiften ab. Aber das konnte kein Traum gewesen sein. Ich war mit Lidj auf einem ihrer Handelsflöße gewesen und hatte für Harpunenspitzen aus Stahl Adaa-Perlen eingetauscht. Rankini, Tyr, Gorth – Welten, die ich gekannt hatte. Ich streifte sie wie Perlen von einer Schnur. Sie drehten sich um mich, wirbelten schwindelerregend, die Erinnerung schwand, und danach auch mein Besußtsein.
     
    »Ayee, Ayee – laufe nun auf vier Pfoten.
    Lausche den Worten der Sturmesboten.
    Sei flink und klug
    Sei stark genug.
    Erhebe dich und grüße den Mond.
    Durch Molaster und das Gesetz von Qu’eeth
    Der Zweibeiner jetzt auf vier Pfoten geht.
    Auf, Läufer der Höhen, vorbei ist die Nacht,
    Die Sonne ist zu deiner Geburt erwacht.«
     
    Ich öffnete die Augen. Dann schrie ich auf, denn die Welt lag verzerrt vor mir – so in Form und Farbe verändert, daß sie für mich ein Schreckensgebilde darstellte. Aber kein Schrei entrang sich meiner Kehle. Statt dessen hörte ich ein angstvolles Heulen.
    »Fürchte nichts, der Wechsel ist gut, gut! Ich hatte es nicht zu hoffen gewagt, aber er ist gut. Alle Teile haben die Reise gemacht und sind angekommen.«
    Hörte ich das mit den Ohren, oder formten sich die Worte nur in meinem Gehirn?
    »Nein – nein!« wollte ich schreien, obwohl ich das nicht einmal getan hatte, als Osokuns Männer mich bearbeiteten. Aber wieder stieß ich nur eine Art Bellen aus.
    »Weshalb fürchtest du dich?« Die Stimme klang verwirrt, sogar verärgert. »Ich sagte dir doch, daß der Austausch glatt vonstatten ging. Und gerade noch rechtzeitig. Simmle meldet, daß sie kommen. Bleib ruhig liegen!«
    Ruhig liegenbleiben? Ich versuchte die Hand an die immer noch schmerzende Stirn zu pressen. Aber keine Hand bewegte sich. Ich sah auf eine mit rotem Pelz bedeckte Tatze hinunter, die zu einem dünnen langen Bein gehörte, und dieses Bein …
    Aber nein, das konnte einfach nicht wahr sein. Nicht dieser Körper, nein! Ica schlug um mich wie in einem Alptraum. Warum wurde ich nicht wach? Bei solchen Träumen konnte ein Mensch wahnsinnig werden!
    Schwach erkannte ich, daß diese Panik mich tatsächlich in eine Dunkelheit schicken würde, von der es vielleicht keine Wiederkehr gab. Und so kämpfte ich, wie ich noch nie gekämpft hatte, gegen die Angst, die ich in diesem fremden Körper empfand.
    Ich spürte eine sanfte Berührung am Kopf und zuckte zusammen. Dann sah ich die Tieraugen in dem hellen Pelzgesicht. Eine Zunge kam zwischen spitzen Kiefern hervor und begann über meinen Kopf zu lecken.
    Irgendwie zog mich diese Berührung vom Rand des Wahnsinns zurück.

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