Das Geheimnis der Monduhr: Roman (German Edition)
hochschreckte und in die Wirklichkeit zurückgeholt wurde. Sie sprang aus dem Bett, stieg über die achtlos auf den Boden geworfenen Kleider und warf sich ihren Morgenmantel über. Alle Knochen taten ihr weh, als sie die Treppe hinunterhastete.
»Tut mir leid, Billy, ich habe wohl verschlafen«, entschuldigte sie sich und rieb sich den Schlaf aus den Augen.
»Aber, aber, Mrs Corrigan.« Billy schnalzte missbilligend mit der Zunge. »Sie können doch in diesem aufreizenden Hemdchen nicht an die Tür gehen, wenn Handwerker im Haus sind! Meinen Leuten fällt noch der Hammer aus der Hand.«
»Das ist doch nur ein alter Morgenmantel, Billy. Die werden eher tot umfallen vor Schreck.« Holly wusste, dass sie wie eine Vogelscheuche aussah, und war Billy im Stillen dankbar, dass er sie so charmant darauf hinwies. Hastig fuhr sie sich durch die Haare, um wenigstens ein einigermaßen anständiges Bild abzugeben.
Billys Schmunzeln verschwand, und er klang plötzlich besorgt. »Was ist denn mit Ihrem Gesicht passiert?«
Holly warf einen Blick in den Spiegel neben der Tür. Die rechte Wange war voller blauer Flecken und Schürfwunden. »Ach nichts«, meinte Holly geistesabwesend, als sie sich zum ersten Mal nach dem Aufwachen wieder an ihr nächtliches Abenteuer erinnerte.
»Wenn Ihr verehrter Gatte Sie verprügelt hat, dann muss ich ein ernstes Wörtchen mit ihm reden, wenn er wieder da ist«, knurrte Billy.
»Blödsinn«, lächelte Holly verkrampft. »Ich bin eben eine arme, schwache Frau, die nicht allein zurechtkommt. Ich bin im Garten gestolpert, weiter nichts.«
»Umso besser, dass ich Jocelyn vorbeigeschickt habe. Wusste ich’s doch, dass man ein Auge auf Sie haben muss.«
Holly war nicht in der Stimmung für Billys Scherze, doch wenn sie sich nicht zusammenriss, schickte er womöglich noch mehr Aufpasser vorbei.
»Obwohl ich bestens allein zurechtkomme, war die Idee ausgezeichnet. Wirklich, eine reizende Dame.« Hollys Lächeln kam diesmal mehr von Herzen.
»Sie müssen öfter mal ausgehen, andere Leute sehen.«
»Wenn ich Ihnen jetzt verspreche, dass ich das tun werde, hören Sie dann auf zu meckern und machen sich wieder an die Arbeit?«
Billy salutierte. »Zu Ihren Diensten. Ende der Woche müssten die Innenarbeiten fertig sein. Es wäre nicht verkehrt, wenn Sie sich inzwischen schon mal Gedanken über den ganzen Schnickschnack machen, der da noch reinsoll. Und wenn Sie mich irgendwo sonst noch gebrauchen können, sagen Sie einfach Bescheid.«
»Was für ein unmoralisches Angebot, Billy!« Holly zog in gespielter Empörung die Luft ein.
Billy lief tatsächlich rot an. »Äh, was ich sagen wollte, also ich meinte den Garten, der müsste noch in Ordnung gebracht werden. Wir wollen doch nicht noch mehr Unfälle haben, oder?«, stammelte er.
Holly schauderte, als sie sich daran erinnerte, wie sie auf dem weichen Rasen gekniet hatte. »Danke Billy, aber ich glaube, da machen wir es Tom ein bisschen zu einfach.«
Sie brachte das Gespräch mit Billy zu einem raschen Ende, indem sie ihm und seinen Leuten eine Tasse Tee in Aussicht stellte. Nachdem Billy wieder im Atelier verschwunden war, warf sie noch einmal einen Blick in den Spiegel. Sie hätte so gerne geglaubt, dass die Ereignisse der vergangenen Nacht nur ein bizarrer Alptraum gewesen waren, aber der körperliche Beweis war schwerlich zu leugnen.
Holly brachte Duschen und Anziehen hinter sich und versuchte dabei die ganze Zeit, eine vernünftige Erklärung für die Vorgänge in der Nacht zu finden. Sie hatte nachts das Haus verlassen, so viel stand fest. Die offene Küchentür und die feuchte Jogginghose waren ein eindeutiger Beweis, dass sie im Garten gewesen war. Der Holzkasten auf dem Küchentisch bestätigte, dass sie mit der Monduhr hantiert hatte. Aber an welchem Punkt endete die Wirklichkeit und setzte ihre Fantasie ein?
Bis zu dem Punkt, an dem sie mit dem Kopf aufgeschlagen war, fand sich für alles eine vernünftige Erklärung. Und eine leichte Gehirnerschütterung wäre eine Erklärung für ihren grotesken Blick in die Zukunft. Was, um
ehrlich zu sein, die einzige Erklärung war, die Holly in Betracht ziehen wollte.
Um nicht noch mehr Zeit zu verschwenden und über ihre Wahnvorstellungen nachzudenken, raffte sie sich auf und machte sich an die Arbeit. Sie lief die Treppe hinunter, um den versprochenen Tee für die Handwerker aufzusetzen und sich selbst eine Tasse starken Kaffee zu brühen. Entschlossen breitete sie ihr Arbeitsmaterial auf
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