Das Geheimnis Der Pilgerin: Historischer Roman
Gerlin war sich jetzt sicher. So würde kein Ritter mit seinem Herrn umspringen, auch wenn Letzterer noch ein Knappe war und inkognito reiste.
Sie trat jetzt näher, versank in einen Knicks und reichte Herrn Florís den Begrüßungstrunk. Der junge Ritter schenkte ihr einen bewundernden Blick, und sie fühlte sich wie verbrannt, als seine Hand versehentlich die ihre streifte. Ob es angebracht war, ihn mit einem Kuss zu begrüßen? Man tat das bei Rittern, die dem eigenen Vater oder Gatten sehr nahestanden, aber gewöhnlich wurde es mit den Männern des Haushalts abgesprochen. Und Gerlin wusste ja nicht, wie eng die Beziehung zwischen Herrn Florís und Herrn Dietrich war. Sie entschied, den Kuss wegzulassen - und verspürte dabei vages Bedauern. Diesen schönen, lebhaften Ritter hätte sie gern geküsst.
Herr Florís bemühte sich sichtlich, nicht zu angelegentlich unter ihren Schleier zu spähen. Was er sah, schien ihm jedoch zu gefallen. »Ihr seid ... Seid Ihr die Herrin Gerlin?«, fragte er mit heiserer Stimme. »Wenn Ihr es seid, so kann mein Herr sich unsagbar glücklich schätzen, dass ihn eine solche Schönheit zum Gatten erwählt hat.«
Der Ritter ließ sich auf ein Knie nieder, und Gerlin reichte ihm die Hand zum Kuss. Eine höfische Geste, wie das Mädchen sie nicht mehr erfahren hatte, seit es den Minnehof verlassen hatte. Zudem sprach der Ritter mit einem Akzent, der ihm bekannt vorkam.
»Eure Sprache erinnert mich an meine verstorbene Gattin«, bemerkte auch Herr Peregrin. »Kann es sein, dass Ihr aus dem sonnigen Aquitanien stammt?«
Herr Florís nickte und strahlte dabei über das ganze Gesicht. »Ihr kennt mein Land, Herr Peregrin? O ja, es ist schön. Allerdings verblasst das Meer, an dem es liegt, vor dem Blau der Augen Eurer Tochter. Das Rot der Abendsonne versteckt sich vor dem Leuchten ihres Haars, das Weiß unserer Klippen ist nichts gegen den Alabasterton ihrer Haut.« Er wandte sich wieder Gerlin zu. »Unsere Wälder würden sich vor Euch verneigen, Herrin Gerlin, und unser Mond würde heller strahlen, um Euer Antlitz zu erleuchten.«
Herr Peregrin schluckte, und Rüdiger schien mit dem Kichern zu kämpfen. Gerlin aber lächelte. »Ihr versteht Euch auf die Kunst der schönen Rede, Herr Florís!«, sagte sie freundlich. »Vermögt Ihr auch die Laute zu schlagen?«
Florís zuckte die Schultern und zeigte ein etwas schiefes Lächeln. »Ich versuche es, Herrin, aber ich bin besser im Schwingen des Schwertes. Einen Sängerwettstreit würde ich nicht für mich entscheiden, aber ich konnte bereits so manchen Sieg in ritterlichen Treffen für mich verbuchen.«
»Na, immerhin etwas«, brummte Herr Peregrin. »Willst du den anderen Rittern jetzt auch etwas Wein kredenzen, Gerlin, dann können wir vielleicht hineingehen, es wird doch auf Dauer zu kalt hier. Willkommen auf Burg Falkenberg. Rüdiger, wenn du den Schimmel des Herrn Florís lange genug angestarrt hast, bring ihn in den Stall und nimm dich auch der beiden Knappen an. Sobald ihr mit den Pferden fertig seid, zeigst du ihnen ihre Schlafplätze im Stall, dann könnt ihr in den Saal kommen. Sicher werden sie ihren Herren aufwarten, und vielleicht kannst du dabei ja noch etwas lernen. Ich hoffe, unsere Sitten auf Falkenberg werden Euch nicht allzu rau vorkommen, Herr Florís. Auch hier kann leider keiner singen.«
Florís de Trillon lächelte und griff rasch noch in seine Satteltasche, bevor Rüdiger den prachtvollen Schimmel endlich in den Stall brachte.
»Eure Sitten mögen sein, wie sie wollen, es wird ohnehin niemand Blicke für etwas anderes haben denn auf die Anmut Eurer Tochter, und niemand wird auf eine andere Stimme lauschen denn auf die ihre.« Ein weiteres Mal verbeugte er sich vor Gerlin und überreichte ihr dabei ein in blauen Samt gewickeltes Päckchen.
»Dies sendet Euch mein Herr, Dietrich von Ornemünde, Euer versprochener Gatte. Zu gern hätte er sich uns angeschlossen, um Euch persönlich auf Eure Burg zu geleiten. Aber ...« Zum ersten Mal schien Florís sich nicht in höfischer Rede zu üben, sondern ernsthafte Worte zu sprechen. Tatsächlich zog ein Anflug von Sorge über seine ebenmäßigen Züge. »... seinen Ratgebern erschien es nicht klug, Lauenstein eben zu dieser Zeit zu verlassen. Herr Dietrich schloss sich widerstrebend ihrer Meinung an, was für seine Weisheit spricht. Er bittet Euch von Herzen, es ihm nachzusehen und dieses kleine Geschenk wohlwollend anzunehmen. Er hat es persönlich für Euch
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