Das Geheimnis Der Pilgerin: Historischer Roman
rasches Kommen. Bitte setzt Euch doch, und nehmt einen Schluck Wein. Wir ... haben etwas zu besprechen.«
In der nächsten Stunde lauschte Florís fasziniert dem etwas wirren Bericht eines jungen Ritters, der ein königliches Kind in den Händen des französischen Heeres ausgemacht haben wollte.
»Der Mann erscheint mir durchaus glaubwürdig«, meinte Richard abschließend. »Wenn auch über beide Ohren verliebt in die Mutter meines angeblichen Sohnes. Und es wäre natürlich ein Debakel, wenn Philipp wirklich einen Spross der Plantagenets gefangen hielte ...«
»Kann das denn sein?«, fragte Florís vorsichtig.
Richard fuhr zu ihm herum. »Selbstverständlich wäre das möglich, ich bin ja kein Mönch! Aber andererseits wurde ich von keiner Geburt in Kenntnis gesetzt, und auf ein bloßes Gerücht hin möchte ich nicht gleich das ganze Heer in Gang setzen. Laut dieses Menehould haben sie die Frau und das Kind nach Vendôme gebracht, und die Stadt müssen wir natürlich entsetzen. Aber zwischen uns und dem Vendômois liegen noch etliche Burgen und Orte, die nach wie vor in französischer Hand sind. Es gefällt mir nicht, sie zu umgehen und inmitten von Feinden die Entscheidungsschlacht zu suchen. Gerade jetzt, wo mit Sancho nicht mehr zu rechnen ist. Also ein Fall für Euch, Trillon! Reitet hin, holt die Gefangenen heraus und kommt zurück. Am besten lasst Ihr es so aussehen, als seien sie geflohen. So streng bewacht werden sie wohl nicht sein, der kleine Menehould und seine Leute hätten sie fast auf eigene Faust befreit.«
»Er hat das französische Heer angegriffen?«, fragte Florís belustigt.
Der König nickte und lächelte jetzt ebenfalls. »Wie ich schon sagte: in Minne entbrannt. Der Knabe hat mehr Glück gehabt als Verstand, aber er wird sicher ein trefflicher Ritter, falls er es denn schafft, erwachsen zu werden.«
Florís lachte. »Darf ich fragen, wer die Frau ist, Sire? Oder ist Euch der Name nicht bekannt?«
Der König rieb sich die Stirn. »Doch, doch, dem Herrn Charles hat sie sich als ›Gerlindis von Ornemünde‹ vorgestellt. Ich erinnere mich allerdings an kein Mädchen dieses Namens ...«
Richard kaute auf seiner Lippe. Trotz angestrengten Nachdenkens konnte er sich auch an keine Geliebte mit kastanienbraunem Haar und blauen Augen erinnern, zumindest nicht aus seiner Zeit in Trifels. Aber das würde sich klären, wenn er die Frau vor sich hatte.
Florís de Trillon stockte der Atem. Er musste sich beherrschen, die Worte nicht auszusprechen, die ihm auf der Zunge lagen: Florís empfand tiefstes Verständnis für Charles de Sainte-Menehould. Für Gerlin von Ornemünde hätte auch er das französische Heer angegriffen! Er hätte Paris belagert, den König gefangen genommen ... Florís' Herz pochte heftig. Die Geschichte mit Richard Löwenherz war seltsam, aber es konnte kaum zwei Gerlindis von Ornemünde geben. Er würde seine Geliebte wiedersehen!
Kapitel 6
W as führt Ihr da eigentlich mit Euch?«
Gerlin war angestrengt, aber auch gelangweilt. Seit Stunden tänzelte ihre Stute Sirene hinter den Rittern des Königs her, die ein für die Zelterin kaum zu haltendes Tempo vorlegten. Wäre der Wagen nicht gewesen, dessen Zugpferde ihr Bestes gaben, um ihre Last rasch über die immer noch leicht aufgeweichten Wege zwischen Vendôme und Orleans zu ziehen, hätte sie gar nicht mithalten können. So aber wurde die Gesellschaft wenigstens ein bisschen gebremst, der Inhalt des Wagens schien dem König wichtig zu sein.
Gerlin überlegte, ein Gespräch mit dem Kutscher zu beginnen, dann verging die Zeit des Rittes vielleicht schneller und vergnüglicher. So lenkte sie Sirene schließlich neben ihn und fragte nach seiner Fracht. Dietmar, den sie vor sich im Sattel hielt und der den raschen Ritt offensichtlich genoss, griff nach der flatternden Plane des Wagens. Der Kutscher ließ seine Peitsche zu ihm hinüberbaumeln, und das Kind gluckste, als es nach der Schnur angelte.
»Das königliche Archiv, Madame«, gab der Mann freimütig Auskunft. Auch er schien sich zu langweilen. »Und das königliche Siegel. Dokumente, Steuerlisten ... all diese Dinge ...« Genaueres schien der Kutscher nicht zu wissen.
»Und das fahrt Ihr hier durch Regen und Nässe und Schmutz? Wäre es nicht besser, es irgendwo an einem sicheren Ort aufzubewahren?«, wunderte sich Gerlin.
Der Mann zuckte die Schultern. »Ich lenk nur den Wagen, Madame«, bemerkte er. »Aber das mach ich schon lange. Das Siegel ist, wo der König
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