Das Geheimnis Der Pilgerin: Historischer Roman
anders. Er griff an, kaum dass seine Truppen die Siedlung umzingelt hatten. Er hatte wohl noch viele Sympathisanten in der Stadt - die Schlacht um Loches dauerte keine drei Stunden. Flankiert von seinen tapfersten Rittern, zu denen sich nach diesem Kampf nicht nur Florís de Trillon, sondern auch der junge Rüdiger von Falkenberg zählen durften, nahm er die Festung im Handstreich.
Die Menschen jubelten, als der heldenhafte König und seine bewunderte Mutter in die Stadt einzogen. Richard ließ die Besatzung der Burg in Frieden abziehen, wobei er den Burgherrn gleich als ersten Unterhändler in Sachen Kronarchiv bestimmte. Der Mann würde zweifellos unverzüglich zu seinem König reiten und konnte ihm schon die ersten Bedingungen für eine Rückgabe nennen. Gerlin tat er leid. Sie konnte nur für ihn hoffen, dass Philipp II. nicht zu den Herrschern gehörte, die Überbringer schlechter Nachrichten kurzerhand köpften.
Richard Plantagenets Hof residierte in dieser Nacht in der Festung von Loches, und der König ließ es sich nicht nehmen, die zahlreichen unterirdischen Anlagen, Verliese und Geheimgänge gemeinsam mit Florís zu erforschen.
»Bei Gott, der Onkel von Eurem künftigen Ziehsohn muss ein wahrer Tüftler gewesen sein«, lachte der König, als die zwei einen zugemauerten Gang entdeckten, der eventuelle Eindringlinge zuverlässig in eine Falle lockte. »Vielleicht liegt bei denen mehr Verstand als Kampfkraft in der Familie, der Vater des Jungen soll ja auch ein rechter Schwächling gewesen sein.«
»Er war nur sehr jung ...«, sagte Florís leise. »Aber er war ein guter Herr. Wir werden sehen, was aus Dietmar wird. Ich jedenfalls werde mein Bestes tun.«
Der König nickte. »Und es gehört ja auch noch eine Mutter dazu«, meinte er. »Gerlin von Ornemünde hat wohl Kampfkraft für drei! Soll ich Euch nun mit ihr in den Kreis der Ritter bitten, wenn wir an diesem Abend tafeln?«
Florís errötete. »Ich ... ich weiß nicht. Sie ...«
»Sie wird schon wollen, Herr Florís!«, meinte Richard ungeduldig. »Und sonst geht Ihr's einfach ein bisschen nachdrücklicher an. Ist schließlich keine Jungfrau mehr, das Mädchen ...«
Florís biss sich auf die Lippen. Das Letzte, was er wollte, war, Gerlin in irgendeiner Hinsicht zu zwingen. Er liebte sie, hatte sie immer geliebt - und sie sollte ihn auch wieder lieben, egal was zwischendurch geschehen war. Wenn sie noch warten wollte, würde er eben warten ... Der König allerdings war nicht der Geduldigste, und es war besser, ihn nicht zu erzürnen, dessen war Florís gewiss. Gerlin würde in den sauren Apfel beißen müssen.
»Passt auf, meine Mutter macht das schon. Ich bin sicher, wenn wir heute Nacht in dieser Halle speisen, erwartet Euch eine Braut!«
Für eine lange belagerte Festung bot die Küche von Loches ein erstaunliches Festmahl auf. Aber natürlich war die Touraine ein reiches Land, und auch in dem Örtchen Loches waren Händler ansässig. Der Fluss lieferte Fisch, rund um die Festung lebten Bauern. Die Engländer requirierten Ochsen aus ihren Ställen für die Spießbraterei, wobei Eleonore allerdings darauf drängte, die Leute großzügig dafür zu entschädigen.
»Sonst unterstützen sie beim nächsten Mal die Franzosen!«, hielt sie ihrem Sohn streng vor, als der sie dafür auslachte. »Die Menschen müssen uns lieben, Richard, und ich werde dafür sorgen, dass sie dich als klugen und besonnenen Herrscher im Gedächtnis behalten - weit über unser beider Leben hinaus.«
Wohlgefällig schaute die Königin auf die üppig dekorierten Speisen, die vergoldeten und versilberten Fische, die Schwäne, die man nach dem Braten wieder mit ihrem Federkleid geschmückt hatte, die exquisit gefüllten Braten und bunten Süßspeisen. Ein Festmahl wie dieses hatten Richards Ritter lange nicht genossen, sie griffen eifrig zu.
Nur Gerlin von Ornemünde schien in dieser Nacht keinen Bissen hinunterzubekommen. Sie teilte den Teller mit Florís, und er tat alles, um sie glücklich zu stimmen. Der junge Ritter schenkte ihr Wein ein, fütterte sie mit den besten Stücken Fleisch und Geflügel und scherzte und lachte mit ihr. Gerlin antwortete jedoch halbherzig und nahm nur gelegentlich aus Höflichkeit einen Happen. Florís sorgte sich um ihre Gesundheit, aber sie wirkte nicht angeschlagen. Im Gegenteil, Florís hatte sie seit langem nicht so schön gesehen!
Die Festung Loches verfügte über ein Badehaus, und Eleonores Hofstaat hatte sich sofort darum
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