Das Geheimnis Der Pilgerin: Historischer Roman
sardonisch. Auf die damit verbundenen Verhandlungen schien er sich jetzt schon zu freuen. »Das kann sich allerdings noch hinziehen. Vorerst werden wir nicht nach England zurückkehren oder auch nur irgendwo sesshaft werden.«
Gerlin holte tief Luft. »Der Onkel meines verstorbenen Gatten, Majestät, Linhardt von Ornemünde, verfügt über Besitzungen in der Gegend von Tours«, sagte sie. »Mein Sohn und ich waren zu ihm unterwegs, um ihn in einer Erbschaftsangelegenheit um Hilfe zu bitten. Wenn er die Ländereien hat halten können ... oder sie wiedererlangt ... Ich hoffte, Dietmar würde von ihm erzogen.«
Richard runzelte die Stirn, anscheinend dachte er nach. Einer der Ritter in seiner Nähe flüsterte ihm etwas zu. »Herr Linhardt? Ach ja, der Ornemünder ...« Richard seufzte und blickte Gerlin bedauernd an. »Herrin, ich glaube, ich habe da keine guten Nachrichten. Herr Linhardt war ein überaus tapferer Ritter. Er hat uns auf dem Kreuzzug ins Heilige Land begleitet, aber er empfing während der Belagerung von Akkon eine tödliche Wunde. Und er starb ohne Nachkommen. Wenn wir Loches zurückerobern, werden wir das Lehen neu vergeben müssen.«
Gerlin senkte den Kopf und kämpfte gegen den Abgrund, der sich wieder einmal vor ihr auftat. Linhardt von Ornemünde war tot, ihre Zuflucht gab es nicht mehr. Alles war umsonst gewesen - die Flucht aus Lauenstein, die Strapazen der Reise, Salomons Tod. Gerlin dachte kurz darüber nach, den König auf Dietmars Anwartschaft auf Linhardts Erbe hinzuweisen, aber das würde Richard ablehnen. Die Plantagenets brauchten wehrhafte Männer auf ihren französischen Besitztümern, keine unmündigen Kinder und Frauen als Regentinnen. Gerlin fühlte Schwindel in sich aufsteigen. Wie sollte es jetzt nur weitergehen?
In die plötzliche Stille hinein hob Eleonore von Aquitanien die Hand. Als die Königin das Wort ergriff, füllte sie mit ihrer immer noch volltönenden Stimme mühelos den Raum. »Vielleicht, mein Sohn, solltest du gleich jetzt über dieses Lehen nachdenken? Hat dir einer deiner Ritter gerade besonders treu gedient?«
Richard lachte unwillig auf. Er hatte an diesem Tag nicht vorgehabt, Lehen zu verteilen, und erst recht keine Festungen, die noch in französischer Hand waren. »Wen meint Ihr, Mutter? Meine Ritter pflegen mir alle treu zu dienen. Und wenn Ihr Euch derart für einen Ritter einsetzt, so hat er sich meist eher im Frauendienst ausgezeichnet denn auf dem Schlachtfeld. Welchen der Troubadoure in unserer Mitte wünscht Ihr zu ehren?«
Eleonore lächelte geziert und ignorierte das Gelächter der Ritter ringsum. »Der Ritter, der mir gerade vorschwebt, weiß Frauendienst und Kampfkraft aufs Trefflichste zu verbinden - auch wenn er nicht fähig ist, die Laute zu schlagen.«
Der Blick der Königin fiel auf Florís de Trillon. Der junge Ritter erwiderte ihn fassungslos. Gerlin las ein erschrockenes »Ich?« von seinen Lippen, aber dann straffte er sich und verbeugte sich demütig.
König Richard lächelte, jetzt weniger grimmig, sondern eher verständlich. »Das erscheint mir eine recht durchdachte Lösung«, bemerkte er dann. »Sowohl für Florís de Trillon - als auch für die Herrin Gerlin, für die Herr Florís doch offensichtlich ... nun ... hm ... minnigliche Gefühle hegt ...«
Gerlin und Florís erröteten gleichermaßen, während die Ritterschaft wieder in Lachen ausbrach.
Florís hob dann aber die Hand und wandte sich gefasst an den König. »Majestät, bitte erlaubt mir, das Wort zu ergreifen«, bat er mit fester Stimme. »Es ist wahr, dass ich die Herrin Gerlin über alles schätze, aber ich bin auch und vor allem ihrem Sohn verbunden. Ich schwor seinem Vater auf dem Totenbett, ihn zu beschützen und seine Erbansprüche durchzusetzen. Diesen Eid würde ich brechen, indem ich jetzt das Lehen des Herrn Linhardt annähme. Dietmar von Ornemünde ist Linhardts Erbe. Ich könnte es höchstens für ihn verwalten.«
Richard rieb sich die Stirn, als die Herrin Aliénor seufzte. »Herr Florís, diese Rede ehrt Euch. Aber wir sprechen hier von einer Burg, die erst zurückerobert werden muss. Zurzeit ist sie von den Franzosen besetzt. Linhardt von Ornemünde hatte das Lehen auch nur wenige Jahre inne. Er war wohl mehr Baumeister als Grundherr, soweit ich weiß befestigte er die Burg für meinen Vater, bevor er mir auf den Kreuzzug folgte. Und wie auch immer, die Burg gehört mir. Ich kann das Lehen vergeben, an wen immer ich will, und ich wähle Euch, Herr
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