Das Geheimnis Der Pilgerin: Historischer Roman
Strategie, Heerführung, aber auch Hinterhalt und Verrat auf dem klassischen Lehrplan des Medikus gestanden.
Jetzt jedenfalls trat der Junge zurück in die Reihe der anderen Knappen, und Florís führte die Schwertleite fort. Allerdings gesellte sich auch Roland von Ornemünde zu den Rittern am Altar. Herr Theobald und ein paar andere Knappen aus seinem Umfeld hatten ihn um den Ritterschlag gebeten. Florís machte ihm gern Platz, wobei sich Herr Roland leider nicht auf ein paar kurze Worte beschränkte wie Herr Adalbert, sondern jedem seiner Ritter eine kleine Predigt hielt. Gerlin hielt es darüber kaum noch an ihrem Platz. Bis der letzte Ritter geweiht war, dauerte es Stunden.
Florís, der die Abschiedsworte sprach und sie damit all den von ihm eingeführten Rittern mit auf den Weg gab, fasste sich gottlob kurz: »Ihr guten Herren, der Orden der Ritterschaft ist zu angesehen und edel, als dass ein Ritter jemals mit etwas Niedrigem zu tun haben sollte, mit etwas Nichtwürdigem oder mit Feigheit.«
Erschien es Gerlin nur so, oder streifte der Blick des Aquitaniers dabei wie nebenbei Herrn Roland, der auf sein Schwert gestützt neben dem Altar stand und wohl auch nicht abwarten konnte, dass die Zeremonie endlich vorbeiging.
»Und deshalb ist es mein Wunsch, dass Ihr heute und morgen, wenn Ihr zum ersten Mal als Ritter in die Schranken reitet und einem Gegner ins Auge seht, so viel Tapferkeit zeigt, wie es sich für Euch geziemt! Trachtet danach, Ehre zu gewinnen, sonst sind Euch die Sporen zu Unrecht angeheftet worden.«
Die Knappen in den Bänken vor dem Altar nickten ernsthaft. Allerdings reichte es jetzt auch ihnen mit der Feierlichkeit, und zu den Klängen des letzten Chorals stürmten sie fast heraus. Nun erwartete sie draußen aber auch das fürstlichste Geschenk zur Schwertleite: Das Haus Ornemünde stattete jeden mit einer Rüstung und einem Streitross aus. Gerlin wusste, dass dies die größte Ausgabe darstellte, wenn eine Familie einen Jüngling in den Ritterstand einführte. Die Großzügigkeit des Burgherrn wurde an den Geschenken für die Knappen gemessen, und kleine Häuser wie das der Falkenbergs konnten sich hier auf Jahre verschulden. Auch das war ein Grund, weshalb man zumindest jüngere Söhne fast immer zur Ausbildung auf die Burgen reicherer Herren schickte.
Nun konnte sich Peregrin von Falkenberg aber durchaus eine gute Rüstung und ein Pferd für seinen Sohn leisten, und auch die meisten anderen Väter der hier frisch geweihten Ritter waren dazu imstande. Florís hatte deshalb sorgsam ausgewählt: Die besten Pferde und Rüstungen teilte er den Bedürftigsten unter den Knappen zu. Schließlich konnte ihr Leben davon abhängen, wenn sie demnächst um Ruhm und Ehre kämpften.
Gerlin, die seine Überlegungen verfolgt hatte, betrachtete nun lächelnd die Freude der jungen Ritter. Aber auch Dietrich erwartete eine Überraschung. Der Pferdehirt Kaspar hatte sich ein paar Wochen zuvor an Florís gewandt und ihm einen jungen Schimmelhengst empfohlen. Der Ritter bildete das Pferd seitdem aus, und Dietrich hatte sich nicht daran sattsehen können. Florís gestattete ihm auch immer wieder huldreich, den Schimmel trockenzureiten und einmal sogar, mit ihm zu tjosten. Das hochbeinige Pferd und der groß gewachsene Junge passten gut zusammen - und heute erhielt Dietrich das Tier zum Geschenk. Der junge Ritter konnte sich vor Glück kaum fassen.
»Wie soll ich ihn nennen, meine Dame?«, fragte er Gerlin eifrig. »Kommt, gebt ihm einen Namen!«
Gerlin lächelte. »Da er von Florís kommt - warum nennt Ihr ihn nicht Florestan?«, fragte sie freundlich.
»Er kommt genau genommen von Herrn Salomon«, stellte Florís richtig. »Das Pferd stammt aus seiner Zucht, und er schenkt es Euch, Herr Dietrich.«
Dietrich überlegte kurz. Dann blitzten seine Augen auf. »Also Floremon!«, entschied er und streichelte das Pferd. »Gefällt dir der Name?« Der Schimmel rieb den Kopf an seiner Schulter. »Wo ist übrigens Herr Salomon? Er versprach mir, zu meiner Schwertleite zu kommen.«
»Aber doch nicht in die Kirche!« Gerlin schüttelte den Kopf. »Der Bischof hätte vor Schreck das Weihwasser fallen lassen! Fasst Euch in Geduld, Dietrich, wenn es darauf ankommt, wird er da sein.«
Wenn es darauf ankommt ... Der Schaukampf zwischen Dietrich und Roland war für die Mitte des Nachmittags angesetzt. Vorher und nachher würden die ersten Ausscheidungskämpfe für das Turnier stattfinden - wobei Florís auch dies klug
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