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Das Geheimnis Der Pilgerin: Historischer Roman

Das Geheimnis Der Pilgerin: Historischer Roman

Titel: Das Geheimnis Der Pilgerin: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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gestaltet hatte. Er hatte das Losglück ein wenig manipuliert, indem er in diesen ersten Tagen die schwächsten der jungen Ritter miteinander kämpfen ließ. Wenn es am nächsten Tag weiterging, würden sie unweigerlich unterliegen, aber an diesem Nachmittag errang einer den Preis des Tagessiegers, und mit etwas Glück begann ein Fahrender Ritter seine Laufbahn mit ein bisschen Gold als Preis im Gepäck. Gerlin jedenfalls hatte vor, die Jungen fürstlich zu beschenken ... wenn es so weit kam.
    Vorerst musste sie sich bezwingen, ihre Unruhe und Angst nicht mit zu viel Wein zu bekämpfen. Im großen Saal, aber auch unten bei den Kampfbahnen wurden Erfrischungen gereicht. Gerlin strich ruhelos von einem Stand zum anderen, lehnte aber das meiste Essen ab und verdünnte den Wein mit sehr viel Wasser. Kurz vor Beginn der Kämpfe traf sie dann auch Herrn Salomon. Er stand neben einem Verkaufsstand. Ein Fernhändler hielt Leinwand und Seidenstoffe feil - geeignet sowohl für die Zelte der Ritter als auch um edle Kleidung daraus zu schneidern. Salomon unterhielt sich mit dem Kaufmann, und beide betrachteten missmutig einen jüngeren Mann, der in ein vertrautes Gespräch mit einem Ritter vertieft zu sein schien.
    Salomon winkte Gerlin zu sich und verbeugte sich tief vor ihr. »Edle Gerlin - mein Bruder Jakob. Und der Nichtsnutz da drüben ist mein Neffe Abram.«
    Er wies auf den jungen Mann. Jakob von Kronach war ein dunkler Menschentyp, deutlich untersetzter und fleischiger als Salomon, aber mit ebenso üppigem Haar gesegnet - die Jarmulke wollte darauf kaum halten. Der Neffe dagegen war strohblond, hatte runde blaue Augen, und sein Gesicht wirkte zwar nicht hager, wie das seines Onkels, aber es war etwas lang geraten. Das gab ihm einen komischen Ausdruck, wenn er den Mund verzog oder die Stirn runzelte. Er zeigte ein lebhaftes Mienenspiel und schien den Ritter von etwas überzeugen zu wollen.
    »Jakob, willst du ihn nicht zurückpfeifen?«, fragte Salomon jetzt unwillig. »Wer weiß, was er dem Ritter da gerade verkauft!«
    Jakob hob unglücklich die Schultern. »Allgemein ist das nicht schwer zu erraten. Irgendeinen Glücksbringer. Aber ob das jetzt eine Schuppe des Drachen ist, den der heilige Michael einst erlegte, oder ein Hufeisen vom Pferd des heiligen Georg ... da würde ich mich nicht festlegen ...«
    Gerlin runzelte die Stirn. »Was verkauft er?«, fragte sie verwirrt.
    »Reliquien«, seufzte Herr Jakob. »Der Junge hat die beste Erziehung genossen, und er ist zweifellos nicht dumm.«
    »Aber du hättest den Schwerpunkt auf die Klassiker legen sollen und nicht auf christliche Heiligenlegenden«, bemerkte Salomon. »Wie ist er nur darauf gekommen?«
    Herr Jakob räumte unwillig seine Ware von links nach rechts. »Ich sage es ungern, aber mein Sohn ist weder fleißig noch wagemutig. Weder die Arbeit im Kontor schmeckt ihm noch das Leben eines Handelsreisenden. Dem Ewigen sei Dank, dass er nicht mein Ältester ist, der schlägt gut ein und wird mein Lebenswerk weiterführen. Abram ... er lebt von der Hand in den Mund und betrügt die Christen, wo er kann.«
    »Aber, aber, Vater, ich betrüge doch niemanden!«
    Abram hatte sich unvermittelt genähert und die letzten Worte gehört. Jetzt verbeugte er sich vor Gerlin - ehrerbietig, aber nicht so unterwürfig und zurückhaltend wie viele seiner Glaubensgenossen. Er schaute ihr frech in die Augen, es schien ihm ziemlich egal zu sein, ob er eine Adlige vor sich hatte oder ein Mädchen aus dem Volk.
    »Welch Glanz erleuchtet die Waren meines Vaters!«, sagte er galant. »Was müssen wir Euch bieten, Edle, dass Ihr den ganzen dunklen und feuchten Nachmittag hier bei uns verbringt und die Sonne Eurer Schönheit über unsere Seidenstoffe scheinen lasst?«
    Was das Wetter an diesem Tag anging, hatte er Recht. Es war ein trüber Frühherbsttag. Gerlin sorgte sich, dass der Kampf zwischen Dietrich und Roland womöglich bei Fackelschein ausgefochten werden musste.
    »Und so, wie es mit der Anmut und dem Strahlen dieser Dame ist, die unser Gemüt erhellt und unser Herz erfreut, steht es auch mit den kleinen Dingen, die ich unseren Herren Rittern verkaufe - oder besser zum Geschenk mache. Ihr Wert für den jeweiligen Streiter überschreitet den Kaufpreis bei Weitem! Dieser Kämpe dort, der mich eben verließ, zieht heute Nachmittag mit einem Zipfel des Banners in den Kampf, den der Erzengel Michael den Kindern Israels durchs Rote Meer voraustrug. Ganz in unserem persönlichen Sinne

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