Das Geheimnis Der Pilgerin: Historischer Roman
ertappte sich dabei, vor Begeisterung wie ein Bauernmädchen zu klatschen und zu schreien. Ihr Jubel ging aber in dem der anderen Ritter, Knechte und Knappen unter, die Beifall spendeten, indem sie auf ihre Schilde schlugen. Die jungen Ritter, die am Morgen erst geweiht worden waren, gönnten dem Knaben den Sieg. Zeigte er doch, dass auch einer der ihren, und nicht einmal der Beste, im Kampf gegen ältere und stärkere Ritter bestehen konnte. Freilich nur mit ein bisschen Glück. Aber das war bei Turnieren immer so. Nahezu bei jedem Wettkampf wurden ein oder zwei Zweikämpfe nur durch das Bersten der Übungswaffen entschieden. Außergewöhnlich war an diesem Tag nur, dass es Herrn Roland gleich zweimal getroffen hatte.
Die Ritter waren inzwischen vor die Ehrentribüne getreten, und Dietrich bot seinem Verwandten die Hand. Sein Gesicht war blass und schweißüberströmt, er strahlte aber vor Glück und Stolz, als er sich Roland zuwandte.
»Das beweist nur, dass Ihr einfach zu stark seid für diese Spielzeugwaffen!«, erklärte er mit lauter, weit tragender Stimme. »Wohl jedem Burgherrn, der Ritter wie Euch an seiner Seite hat! Keine lauen Turnierkämpfer, aber unbesiegbar im echten Streit mit scharfen Waffen!«
Gerlin küsste die Lippen ihres versprochenen Gatten und schmeckte das Salz seines Schweißes. Sie belohnte ihn förmlich mit einer Kette, während Luitgart Roland mit weitaus wertvollerem Goldschmuck ehrte. Zweifellos aus dem Goldschatz derer von Lauenstein und schon in der Überlegung, ihren Liebsten demnächst wieder als Fahrenden Ritter scheiden zu sehen. Er würde das Gold dann brauchen. Aber jetzt wandten sich beide unter dem Jubel der Zuschauer ab. Den letzten noch folgenden jungen Turnierkämpfern würde es schwerfallen, die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich zu ziehen.
Die Ehrentribüne leerte sich jetzt erst mal, und viele Frauen und Mädchen würden sicher nicht zurückkommen. Auch Gerlin dachte gar nicht daran, sich noch weitere Kämpfe anzusehen. Sie musste sich für ihre Hochzeit schmücken.
Kapitel 10
I hre Hochzeit.
Gerlin wanderte vom Turnierplatz hinauf zu ihrem Quartier beim Palas.
Denkt Ihr ... manchmal daran? - Florís' Frage.
Im Grunde musste Gerlin sich eingestehen, dass sie sich bislang nicht alle Einzelheiten der Zeremonie und vor allem der Stunden danach vor Augen geführt hatte. Das Fest war noch so weit weg gewesen, von so vielen möglichen Gefahren überschattet. Aber jetzt musste sie daran denken - ein Bad nehmen, die Mägde bitten, ihr mit der Kleidung, dem Frisieren und dem Haarschmuck zu helfen. Dabei war sie weit davon entfernt, sich zu freuen. Gerlin fühlte sich müde, ausgelaugt, als hätte sie den Kampf mit Roland selbst bestanden. Sie wünschte sich ihre Freundinnen vom Minnehof herbei. Oder eigentlich ... noch sehnlicher wünschte sie sich Florís ... Entschlossen wechselte Gerlin die Richtung.
Florís de Trillon hatte die Tribüne gleich nach dem Kampf verlassen und kümmerte sich nun um Dietrich und seinen Hengst. Gerlin würde nicht allzu viel Zeit verlieren, wenn sie noch kurz im Stallzelt vorbeiging, um ihren jungen Ritter ein weiteres Mal zu beglückwünschen. Sie würde dann zumindest ein aufmunterndes Lächeln jenes anderen Ritters mit in ihre Kemenate nehmen ... Gerlin redete sich ein, dass dies ganz legitim war. Sie wollte sich einfach mit Dietrich und seinen Ratgebern freuen.
Auf dem Weg zu den Pferden kam sie am Stand des jüdischen Händlers vorbei und schaute nach Herrn Salomon aus. Obwohl sie beim Gedanken an ihn und ihr Vorhaben ein etwas schlechtes Gewissen hatte - ohne dass ihr ein wirklicher Grund dafür einfiel.
Der Medikus war jedoch nicht da. Nur Herr Jakob stritt sich mit seinem ungeratenen Sohn Abram herum. Er war so sehr in die Auseinandersetzung vertieft, dass er Gerlins freundlichen Gruß gar nicht bemerkte. Herr Jakob wirkte wütend, Abram eher besorgt und gehetzt.
»Wenn wir klug sind, suchen wir beide das Weite! Aber zumindest ich muss weg, ich bitte Euch, Vater, gebt mir eins von den Maultieren!«
Jakob brummte etwas Unverständliches, und Abram raufte sich die Haare.
»Vater, ich konnte doch nicht ahnen, dass der Dummkopf damit kämpft! Meine Güte, die Lanze des heiligen Georg! Noch mit den Spuren getrockneten Drachenblutes ... da muss doch jeder davon ausgehen, dass der Schaft ein bisschen marode ist! Letzte Woche habe ich einem die Pfeile verhökert, mit denen man weiland den heiligen Sebastian gemartert hat. Aber
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