Das Geheimnis der Puppe
führte, »stand sogar offen. Du hast auch nicht daran gedacht, sie zu schließen, als wir ins Bett gingen.«
Sie war wirklich in Sorge, machte sich Vorwürfe.
»Sonst muß ich jede Nacht dreimal raus und liege anschließend immer noch wach. Jetzt habe ich durchgeschlafen. Ich war völlig erledigt.«
Danny schlief auch an diesem Sonntag bis kurz vor zehn.
»Das wundert mich gar nicht«, sagte Laura nur.
»Wenn er hier nachts durch das Haus geistert.«
Sie blieb unten, wollte sich um das Essen kümmern und gleichzeitig ihr Arbeitszimmer komplettieren. Ich trug ihr nur den Karton mit ihren Utensilien hinunter, dann setzte ich mich an die Schreibmaschine. Bis Mittag schaffte ich etliche Seiten. Ich ließ Sandy durch das Haus schleichen. Ganz menschlich, im wallenden Nachthemd, mit entrücktem Blick, halb gefangen in einem Traum, den die Erinnerung an ihre frühste Kindheit in ihr wachruft. So ähnlich hatte ich es auch im Roman beschrieben. Kein Mensch erinnert sich normalerweise an seine frühste Kindheit. Darüber hatte ich mich eigens in Fachbüchern informiert. Die ersten drei Jahre bleiben im dunkeln. Selbst schlimme Erfahrungen und Erlebnisse sind vergessen, bleiben allenfalls als Trauma erhalten und zeigen sich manchmal in zwanghaften Handlungen des Betreffenden. Aber Sandy war kein normaler Mensch. Sie durfte sich erinnern an die Zeit, als sie selbst in einem der Nebenräume des Labors versteckt gehalten wurde. Szenenwechsel: Der junge Journalist läßt im Halbschlaf die Hand über den leeren Platz im Bett neben sich wandern. Er erwacht, folgt Sandy in den Keller, sieht sich dort unvermittelt einem wandelnden Fleischberg gegenüber. Aus einer dunklen Öffnung in einem kopfähnlichen Gebilde klingt ihm ein dumpfer Klagelaut entgegen. In Panik wirft sich der junge Mann herum und flieht zurück zur Treppe. Als Laura mich zum Essen rief, war die Szene fast fertig. Danny spielte im Schatten vor der Küchentür mit fingergroßen Kühen und Schweinen. Auf mich wirkte er so normal wie immer. Laura dagegen war geistesabwesend und unkonzentriert. Der Tisch war noch nicht gedeckt, und Laura ging dreimal zum Schrank, um die Teller einzeln zu holen. Als sie dann endlich auf ihrem Platz saß, schweiften ihre Augen rastlos hin und her. Es machte mich nervös.
»Wo bist du denn mit deinen Gedanken.«
Laura schaute mich an, zuckte mit den Schultern und erklärte beiläufig:»Steiner hat Tagebuch geführt.«
»Interessant«, murmelte ich.
»Was hat er denn geschrieben.«
Laura zuckte noch einmal mit den Schultern.
»Ich habe noch nicht nachgesehen. Das tu ich, wenn ich Zeit habe. Und im Moment habe ich keine.«
Ihre Stimme klang leicht gereizt, als sie anfügte:»Ich kriege diese blöden Plakate nicht hin. Milchflaschen.«
Sie stieß die Luft aus.
»Wenn ich eine Milchflasche sehe, wird mir schlecht.«
Sie starrte gedankenverloren auf ihren Teller, stocherte mit der Gabel im Salat herum.
»Dann laß doch die Plakate«, sagte ich.
»Du mußt sie nicht machen. Weber sagte, es reicht, wenn du die Fernsehspots übernimmst.«
Laura atmete vernehmlich ein und wieder aus.
»Doch«, widersprach sie heftig.
»Ich muß. Und wenn ich mir die halbe Nacht um die Ohren schlagen muß. Ich werde nicht an einer Flasche scheitern. Das ist doch lächerlich.«
Danny rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her. Sein Blick wanderte von Lauras Gesicht zu meinem und wieder zurück.
»Kann ich mit dem Bauernhof hinten im Garten spielen.«
Diesen Bauernhof hatte Laura ihm gestern aus Bedburg mitgebracht. Da er noch so neu war, war Danny natürlich fasziniert. Aber ihm lag wohl mehr daran, der gespannten Atmosphäre zu entkommen.
»Ich passe ganz bestimmt auf, daß nichts wegkommt.«
Wenig später half ich ihm, all die Kleinteile in den Garten zu schaffen. Schweine, Hühner, Gänse, Kühe, ein paar Pferde, Gebäude und ein kleiner Maschinenpark.
»Das kannst du doch im Gras gar nicht richtig aufbauen«, sagte Laura, während sie hinter uns herlief.
»Außerdem ist es so heiß draußen.«
Aber Danny hatte bereits eine geeignete Stelle ausgekundschaftet. Nahe beim Teich gab es im Schatten eines alten Kirschbaums ein Stück ebenen Boden, auf dem nicht einmal Gras wuchs. Die Erde war trocken und fest. Bevor wir ihn dort alleine zurückließen, prüfte ich mit einem Ast, den ich im Gras fand, wie tief das kleine Gewässer war. Es hatte gut zwei Meter im Durchmesser, und bis in die Mitte hinein reichte ich nicht mit dem
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