Das Geheimnis der Puppe
um deinen Horrorfilm, und ich kümmere mich um den Rest.«
Es klang wieder so bitter und abfällig, daß ich keine Antwort wußte. Bevor wir an dem Sonntag zu Bett gingen, überprüfte Laura die Außentür der Küche, verschloß eigenhändig die Haustür. Sie schaute sogar nach, ob das Garagentor versperrt war. Nur das Fenster in ihrem Arbeitszimmer ließ sie einen Spaltbreit offen. Und dieses Fenster begann draußen nur dreißig Zentimeter über dem Erdboden. Die beiden großen Bogen hatte Laura auf dem Tisch ausgebreitet, weil die Tusche noch nicht ganz trocken war. So blieben sie über Nacht liegen. Danny schlief friedlich, wir standen noch minutenlang an seinem Bett. Die Tür zu seinem Zimmer ließen wir offen, ebenso unsere Schlafzimmertür. Laura war überzeugt, daß sie aufwachen würde, wenn er wieder schlafwandeln sollte. Und ich nahm mir vor, ein wenig auf Laura zu achten. Aber wir hörten beide nichts. Und wer immer auch der Dienstbotenkammer einen Besuch abgestattet hatte, er hatte sich nicht mit einem Abstecher zum Bett begnügt. Er hatte sich leider auch sehr intensiv mit einem der Plakatentwürfe beschäftigt: Die Milchflasche war völlig verdorben, von dicken und dünneren Strichen umgeben. Es sah fast aus, als hätte jemand sämtliche Stifte, die Laura in einer Schale bei den Zeichnungen aufbewahrte, daran ausprobiert. Das bunte Gekritzel krampfte mir den Magen zusammen. Laura war den Tränen nahe.
»Jetzt schau dir das an, daran habe ich einen halben Tag gesessen.«
Dann rief sie Danny und bemühte sich, in ruhigem Ton zu erklären, daß er ihr in der Nacht die Arbeit eines halben Tages zunichte gemacht hatte.
»Aber ich hab das nicht getan«, widersprach er. Laura seufzte nachdrücklich.
»Natürlich hast du es getan. Wer soll es denn sonst gewesen sein? Du kannst dich nicht erinnern, weil du es im Schlaf getan hast.«
Mit der Vorstellung war Danny sichtlich überfordert. Außerdem war er beleidigt.
»Ich hab dir noch nie was kaputtgemacht. Das weißt du ganz genau. Ich geh nie an deine Bilder.«
»Wenn das noch mal vorkommt«, sagte Laura in meine Richtung, »gehe ich mit ihm zum Arzt.«
Es klang wie eine unverhohlene Drohung. Danny faßte es genauso auf. Gleich nach dem Frühstück verzog er sich in sein Zimmer. Laura hatte ihm verboten, ein paar von seinen Spielsachen mit hinaufzunehmen, weil Heinz und Rudolf diesen Raum als nächsten tapezieren wollten. So stand Danny nur am Fenster und schaute mit in sich gekehrtem Blick über das Grün da draußen. Noch vor neun kamen die Meisenbrüder, zuerst wurde mein Arbeitszimmer eingeräumt. Viel war dabei nicht zu tun. Nachdem ich mit der Schreibmaschine umgezogen war, begannen sie mit der Arbeit in Dannys Zimmer. Er blieb am Fenster stehen, als ginge ihn die ganze Sache nichts mehr an. Als Heinz ihn schließlich aufforderte:»So, kleiner Mann, jetzt muß ich aber mal dahin«, rückte er einfach ein Stück zur Seite. Ein paar Minuten später hörte ich Heinz sagen:»Na, du hast aber heute schlechte Laune. Hast du nicht gut geschlafen.«
Ein einsilbiges »doch« war die Antwort. »Keine Lust, ein bißchen im Garten zu spielen.«
Heinz ließ nicht locker. Aber Erfolg hatte er erst, als er schließlich vorschlug:»Wenn du schon hier stehst, könntest du uns auch ein bißchen helfen.«
Danny bekam einen Schwamm und einen kleinen, halb mit Wasser gefüllten Eimer zur Verfügung gestellt und durfte Tapeten einweichen. Er war mit Feuereifer bei der Sache. Unentwegt hörte ich ihn plappern. Und unentwegt spürte ich dabei das schlechte Gewissen. Ich hätte ihn Laura gegenüber verteidigen müssen. Ich hätte sie zumindest fragen müssen, was sie so sicher machte, daß er der Übeltäter war. Er war es nicht, davon war ich überzeugt.
»Wenn ich eine Milchflasche sehe .«
Aber ich wollte mir nicht eingestehen, daß mir die Situation über den Kopf wuchs. Und nur ganz flüchtig dachte ich daran, eventuell meinen Vater um einen Rat zu fragen. Den ganzen Tag über hielt sich Danny bei den Männern auf. Er »half«, was er nur konnte, und so ging das natürlich viel schneller. Bis zum Abend waren beide Kinderzimmer fertig. Es roch nach feuchter Tapete, für Laura Grund genug, Dannys Bett in unser Schlafzimmer schaffen zu lassen.
»Über Nacht bleiben die Fenster auf«, entschied sie, »morgen kann er dann wieder umziehen.«
Wir machten es uns noch für eine halbe Stunde im Wohnzimmer gemütlich. Auf der Terrasse sitzen wollte Laura nicht. Es
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