Das Geheimnis der Puppe
ein bißchen in den Kindergarten.«
fragte er.
»Oder ist es schon zu spät.«
»Du kannst heute nachmittag gehen«, sagte Laura. Diesen Nachmittag verbrachte ich an der Schreibmaschine. Gegen vier hörte ich Brigitte Greewald kommen. Ich achtete nicht darauf, hielt auch nicht wie sonst Ausschau nach dem Kind. Mir fiel nicht einmal auf, daß Brigitte Greewald erheblich länger als sonst bei Laura blieb. Spätabends erzählte Laura mir dann, daß sie über Marianne gesprochen hatten.
»Sie möchte mit zur Beerdigung«, sagte Laura.
»Es hat sie sehr getroffen, von Mutters Tod zu hören. Aber ich weiß nicht, ob Vati einverstanden ist, wenn wir sie mitbringen. Er kennt sie doch gar nicht.«
Doch Bert erinnerte sich noch vage an die frühere Köchin der Steiners und erhob keine Einwände gegen Brigitte Greewalds Anwesenheit. Marianne wurde am Dienstag, dem. August, beerdigt. Die Beisetzung fand am frühen Nachmittag statt. Kurz nach eins erschien Brigitte Greewald. Laura hatte ihr angeboten, daß sie mit uns fahren könne. Ganz in Schwarz gekleidet, mit verweintem Gesicht saß sie hinter Laura im Wagen. Während der ganzen Fahrt sprach sie kein Wort, schniefte nur manchmal leise und kämpfte gegen die immer wieder aufsteigenden Tränen. Neben sich auf dem Sitz hatte sie ein recht üppiges Blumengebinde, an dem sie häufig herumzupfte. Dann stand sie vor der Trauerhalle, ein Häufchen Elend, das es nicht einmal wagte, Bert eine Hand entgegenzustrecken. Sie ließ keinen Blick von dem Sarg, aber anscheinend traute sie sich auch nicht, ihr Gebinde dabei abzulegen. Erst als ich es ihr aus der Hand nehmen wollte, ging sie langsam nach vorne, legte die Blumen am Fußende des Sarges auf den Boden, blieb noch sekundenlang stehen und strich einmal zaghaft mit der Hand über das dunkle Holz.
»Annchen«, hörte ich sie flüstern, »wie konntest du das tun.«
Es standen nur wenige Menschen um das offene Grab. Zwei Nachbarn von Bert, die sich gleich verabschiedeten, nachdem sie ihre Beileidsbezeugungen gemurmelt hatten. Ein Laienprediger, Frau Greewald, Bert, Laura und ich. Zwei Männer in Arbeitskleidung hielten sich, auf ihre Spaten gestützt, dezent im Hintergrund. Danny war nicht bei uns. Die Mutter seines neuen Freundes hatte sich bereit erklärt, ihn an diesem Tag zu betreuen. Nachdem der Sarg hinabgelassen war, verließen wir den Friedhof wieder. Bert hielt sich neben Laura, ich blieb mit Frau Greewald einige Schritte zurück.
»Sei mir nicht bösr«, hörte ich Bert sagen, »wenn wir auf den Kaffee verzichten.«
Also fuhren wir gleich zurück. Brigitte Greewald schien darüber sehr erleichtert. Sie blieb dann allerdings noch bei uns. Laura bot ihr Kaffee an, den sie auch dankend nahm. Wir saßen im Wohnzimmer, und hin und wieder bemerkte ich den mißtrauischen und ängstlichen Blick, mit dem Brigitte Greewald mich von der Seite streifte. Die erste halbe Stunde verging ohne ein nennenswertes Wort. Dann wollte Brigitte Greewald sich verabschieden, bedankte sich noch einmal ausdrücklich für die Fahrt nach Köln und machte Anstalten, sich aus dem Sessel zu erheben.
»Bleiben Sie doch noch ein bißchen«, bat Laura.
»Da ist so viel, über das ich gerne mit Ihnen reden würde.«
Sie hielt den Kopf gesenkt und zupfte an einem losen Faden des dunkelblauen Umstandskleides. Ein schwarzes hatte sie nirgendwo auftreiben können. Vielleicht gab es im Hochsommer keine Trauerkleidung für Schwangere. Laura seufzte. Hob den Blick und heftete ihn auf Brigitte Greewalds Gesicht.
»Ich habe meine Mutter nur als kranke Frau gekannt. Eine Frau, die stundenlang in einer Ecke sitzen konnte, ohne auch nur einen Laut von sich zu geben. Eine Frau, die unvermittelt in Tränen ausbrach, ohne daß jemand einen Grund dafür gesehen hätte. Und wenn sie weinte, dann konnte sie nicht mehr aufhören. Aber Sie .«
so etwas wie ein Lächeln huschte um Lauras Lippen.
»Sie kannten sie anders. Sie haben mir erzählt, daß sie ein nettes und freundliches Mädchen war.«
Frau Greewald nickte.
»Ja«, murmelte sie hilflos.
»Und sie war gesund«, stellte Laura nachdrücklich fest. Noch ein Nicken. Ich wollte eingreifen, wollte verhindern, daß Laura sich quälte. Da kam bereits die nächste Frage.
»Hatte Steiner ein Verhältnis mit ihr?«
Brigitte Greewald riß die Augen auf, stammelte:»Er war doch verheiratet, und er liebte seine Frau über alles.«
»Was ihn aber nicht davon abhielt, mit meiner Mutter zu schlafen«, widersprach
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