Das Geheimnis der Puppe
Vater? Du hast doch bestimmt einen Vater.«
Das war kein Monolog. Es war auch kein Zwiegespräch mit Marianne. Da mußte jemand sein, der Laura zuhörte. Und viele Möglichkeiten gab es nicht. Es drängte mich, die Treppe ganz hinunterzusteigen und wenigstens bis zur Tür ihres Zimmers zu gehen. Von meinem Platz aus konnte ich nicht einmal in den Gang hineinsehen. Da hörte ich einen leisen, aber dennoch schrillen und hellen Ton, und Laura lachte kurz auf.
»Hat es dich erschreckt? Es ist sehr unruhig. Es spürt, was ich fühle, weißt du. Und jetzt bin ich traurig, da hat es bestimmt Angst, und dann tritt und schlägt es um sich. Hier, paß auf. Da ist es wieder. Kannst du es fühlen? Das ist ein Baby. Ich hoffe, es wird ein ebenso hübsches kleines Mädchen wie du.«
Ich hatte langsam die letzten Stufen genommen und die unterste erreicht. Der Boden im Gang war gefliest. Und vor lauter Bemühen, leise aufzutreten und auch sonst keinen Laut zu verursachen, rutschte ich mit dem Fuß weg und konnte mich gerade noch an der Mauer halten. Das ging nicht ganz ohne Geräusche ab. Lauras Stimme verstummte abrupt. Sekundenlang war es ganz still. Dann hörte ich das leise Knarren der Tür zum Waschraum, und Laura flüsterte:»Warte, ich mach dir das Licht an. Hier, nimm dein Püppchen mit.«
Als ich die Tür ihres Zimmers erreichte, hockte Laura auf der Bettkante und starrte mir beinahe feindselig entgegen. Ich tat ganz unbefangen.
»Ich meine, ich hätte dich reden gehört«, sagte ich. Laura zuckte mit den Schultern. Die Tür zum Waschraum war geschlossen.
»Hattest du Besuch.« fragte ich.
»J.«, erwiderte sie knapp. Ihr Gesicht war verquollen vom Weinen, Wangen, Nase und Augenlider gerötet. Aber sie wirkte ruhiger als zuvor.
»Wie fühlst du dich.« fragte ich, immer noch bei der Tür stehend.
»Es geht wiede.«, sagte Laura. Dann brachte sie die Beine auf den Boden und erhob sich. Sie reckte sich, bog den Rücken durch und atmete vernehmlich ein und aus.
»Hast du überhaupt geschlafen.« fragte ich.
»Ja, ein bißchen, aber ich bin nicht müde.«
»Es ist noch sehr früh. Willst du dich oben noch für zwei Stunden hinlegen.«
Laura schüttelte den Kopf, kam dabei auf mich zu. Dicht vor mir blieb sie stehen, schlang beide Arme um meinen Nacken und legte das Gesicht an meine Schulter.
»Ich bin wirklich nicht müde«, murmelte sie.
»Und wir sollten uns heute um Vati kümmern. Für ihn muß es schlimmer sein als für mich. Ich bin nicht allein.«
Minutenlang standen wir so bei der Tür. Dann löste Laura sich von mir, lächelte.
»Mach uns ein gutes Frühstück, Tom. Ich werde schnell duschen.«
Sie zog die Nase kraus, hob einen Arm zum Gesicht und schnüffelte daran. Sie lächelte immer noch.
»Mein Besuch riecht ein bißchen merkwürdig, irgendwie süß. Kein Wunder, wenn es tagein tagaus die gleichen Kleider tragen muß.«
Laura ging hinauf, um sich frische Wäsche zu holen. Zum Duschen kam sie wieder herunter. Sie schloß die Tür ihres Zimmers hinter sich. So deutlich hätte sie mir gar nicht zeigen müssen, daß ich in der Küche zu bleiben hatte. Ich brühte Kaffee auf, deckte den Tisch, bemühte mich, leise zu hantieren und horchte immerzu nach nebenan. Dort wurde Wasser in die kleine Wanne eingelassen. Ich hörte Lauras Stimme.
»Das ist fein, ja? Na, das weiß ich doch noch aus eigener Erfahrung, wie gerne kleine Mädchen im warmen Wasser planschen. Möchtest du ein bißchen zu mir kommen? Es ist bestimmt Platz für uns beide. Nein? Du willst nur planschen.«
Und dann hörte ich nur noch das Wasserplätschern. Nach einer Weile sprach Laura wieder.
»Aber ein Bad würde dir sicher gut tun. Wenn wir dann noch ein frisches Kleidchen für dich hätten, könnten wir dich so richtig fein machen. Weißt du was? Wenn ich das nächste Mal in die Stadt fahre, bringe ich dir etwas Hübsches zum Anziehen mit. Und wenn du dann herkommst, werde ich dich baden und dein Haar waschen. Dann wirst du duften wie eine ganze Blumenwiese.«
Dann hörte ich das Knarren des alten Fensterflügels, und Laura sagte:»Lauf, Kleine, und komm bald einmal wieder.«
Sie kam in die Küche, ein Tuch in der Hand, mit dem sie ihr Haar trocknete.
»Warum hast du das Kind weggeschickt.«
fragte ich. Laura biß sich auf die Lippen und zuckte mit den Schultern.
»Ich dachte, es ist dir nicht recht, wenn es hierbleibt.«
Sie setzte sich an den Tisch, schaute zu, wie ich ihre Tasse füllte.
»Wann ist es
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