Das Geheimnis der Rose
Theaterszenen und eine Originalseite aus einem von Logans Scotts Stücken, ein Geschenk von ihm nach ihrem ersten Erfolg im Capital.
Sie bewegte sich in dem Zimmer und ließ sich durch die vertrauten Gegenstände trösten, Besitztümer, die sie für sich selbst gekauft hatte. Keine Spur ihrer Vergangenheit gab es hier, keine unangenehmen Erinnerungen … nur die Sicherheit und Intimität, Jessica Wentworth zu sein. Wenn sie nur den Tag noch einmal leben könnte! Welcher selbstzerstörerische Impuls hatte sie veranlasst, Lord Savage ihre Identität zu verraten?
Sie erinnerte sich daran, wie er sie angesehen hatte, bevor sie das Haus der Hargates verlassen hatte. Sein Blick hatte sie förmlich durchdrungen, und er schien jeden ihrer Gedanken und Gefühle zu erraten. Sie hatte sich hilflos wie ein Kind gefühlt, dessen Geheimnis enthüllt, dessen Verteidigung zerstört war.
Julia saß an ihrem Frisiertisch und trank den Wein in wenigen Schlucken aus. Sie würde nicht mehr über Savage nachdenken … sie musste schlafen und sich auf die morgige Probe für Logans neues Stück vorbereiten. Sie konnte nicht zulassen, dass ihr Berufsleben litt, nur weil sie privat Probleme hatte.
Sie zog die Kleider aus, ließ sie auf den Boden fallen und zog einen einfachen blauen Musselinmorgenrock an, der vorn mit fünf Satinbändern geschlossen wurde. Sie seufzte erleichtert, zog die Nadeln aus ihrem Haar und fuhr sich mit den Fingern durch die unordentlich aschblonden Locken. Als sie eine Ausgabe von Geliebte Lügnerin nahm und ins Bett ging, störte ein Geräusch die Stille des Hauses. Julia verharrte regungslos und lauschte aufmerksam.
Die gedämpften Geräusche eines Streits drangen von unten in ihr Zimmer, und dann hörte sie aus der Ferne den erschreckten Aufschrei ihres Hausmädchens.
Julia warf den Text zur Seite und lief aus dem Zimmer.
»Sarah«, rief sie ängstlich und rannte zur Treppe. »Sarah, was ist …«
Sie blieb oben an der Treppe stehen und sah das Mädchen mitten in der Eingangshalle stehen. Die Haustür war weit offen. Lord Savage hatte sich gerade gewaltsam Zutritt verschafft.
Julia war starr vor Entsetzen, als sie die bedrohliche Gestalt unter sich sah. Sein Gesicht wirkte angespannt, seine Augen waren gefährlich zusammengezogen, als er sie anstarrte.
»Mrs. Wentworth«, stammelte das Mädchen, »er ist einfach hereingestürmt … ich konnte ihn nicht aufhalten …«
»Ich bin gekommen, um mit meiner Frau zu sprechen«, sagte Savage grimmig und starrte immer noch Julia an.
»Ihre …«, sagte das Mädchen verwirrt. »Dann müssen Sie … Mr. Wentworth sein?«
Savage machte ein finsteres Gesicht. »Nein, ich bin nicht Mr. Wentworth«, sagte er mit höhnischer Betonung des Namens.
Irgendwie gelang es Julia, einen ruhigen Gesichtsausdruck zu zeigen. »Sie müssen gehen«, sagte sie fest. »Ich bin nicht bereit, heute Abend irgendetwas zu besprechen.«
»Das ist schade.« Savage kam die Treppe herauf. »Ich bin seit drei Jahren bereit.«
Es war klar, dass er ihr keine Wahl ließe. Julia wappnete sich für die Schlacht und sagte zu dem ängstlichen Mädchen: »Du kannst dich für heute Abend zurückziehen. Alles ist in Ordnung.«
»Ja, Ma’am«, sagte Sarah zweifelnd und starrte den entschlossenen Mann an, der die Treppe hinaufstieg. Rasch verschwand das Mädchen in seinem Zimmer und hielt es somit offensichtlich für klüger, sich nicht einzumischen.
Als Savage sie erreicht hatte, hob Julia das Kinn und erwiderte seinen Blick. »Wie können Sie es wagen, gewaltsam in mein Haus einzudringen?« fauchte sie ihn an und zog den Morgenmantel fester um den Körper.
»Weshalb all die Lügen? Weshalb nicht die Wahrheit, als wir uns das erste Mal trafen?«
»Sie haben genauso gelogen wie ich, als Sie mir erzählten, Sie seien nicht verheiratet …«
»Ich habe nicht die Angewohnheit, Frauen, die ich kaum kenne, intime Geheimnisse zu verraten.«
»Da wir gerade bei intimen Geheimnissen sind … weiß Lady Ashton, dass Sie nicht der Junggeselle sind, der Sie zu sein behaupten?«
»Um genau zu sein – sie weiß es.«
»Ich nehme an, sie möchte Ihre Frau loswerden und Sie wegen des Kindes heiraten.« Julia sah voller Genugtuung, wie seine Gesichtszüge ausdruckslos vor Überraschung wurden.
»Woher wissen Sie das?« fragte er scharf.
»Lady Ashton hat es mir erzählt, als wir beide bei der Schneiderin waren. Sie versuchte, mich vor Ihnen zu warnen – aber ich hätte ihr sagen können,
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